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23.08.2023 | Rohstoffe | Schwerpunkt | Online-Artikel

Wie die EU von Lithium- und Kobaltimporten unabhängig werden könnte

verfasst von: Thomas Siebel

4 Min. Lesedauer

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Forschenden der Montanuniversität Loeben sind optimistisch, dass die EU ihre Abhängigkeit von Lithium- und Kobaltimporten beenden kann. Dafür bräuchte es mehr Bergbau in der EU, Recycling und Substitution.

Die Europäische Union ist heute in hohem Maße von Rohstoffimporten abhängig, ohne die sich wichtige Projekte wie die Energiewende nicht stemmen lassen. Besonders hoch ist dabei die Abhängigkeit bei Lithium und Kobalt – zwei zentrale Rohstoffen für die Produktion von Lithium-Ionen-Batterien (LIB). Nahezu die gesamte Primärproduktion von Lithium entfällt heute auf die fünf Länder Australien (47,6 %), Chile (26,8 %), China (15,5 %), Argentinien (6,8 %) und Brasilien (2 %). Noch drastischer ist das Bild bei Kobalt: 70 % der primär gewonnenen Kobalts stammen aus der Demokratischen Republik Kongo.

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Lithium und Cobalt – Chancen und Probleme in Bezug auf zwei kritische Rohstoffe in der EU

Um die Abhängigkeit der Kobalt- und Lithiumversorgung der Europäischen Union von Nicht-EU Ländern zu minimieren, werden neue Möglichkeiten zur Selbstversorgung gesucht. Sowohl die primäre als auch die sekundäre Gewinnung dieser beiden Rohstoffe besitzt innerhalb der Europäischen Union großes Potenzial.

Parallel zur anbieterseitig hohen Marktkonzentration hat die weltweite Nachfrage die Lithium- und Kobaltpreise in die Höhe getrieben. Innerhalb eines Jahres ist der Kobaltpreis laut der vbw – Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft zuletzt um 53 % gestiegen, der für Lithium sogar um 640 %.

"EU besitzt großes Potenzial"

Vor diesem Hintergrund und den zunehmenden geopolitischen Unsicherheiten hat die EU im März 2023 den Critical Raw Materials Act (CRMA) beschlossen. Das Maßnahmenpaket soll das Risiko in der Versorgung mit kritischen Rohstoffen beherrschbar machen und die EU Schritt für Schritt aus der Abhängigkeit von einzelnen Zuliefererländern zu kommen.

Die Chancen der EU, sich in Zukunft selbst mit ausreichend Lithium und Kobalt zu versorgen, stehen dabei gar nicht einmal schlecht. So schätzen es jedenfalls Michael Tost und Clemens Lughofer von der Montanuniversität Leoben ein: "Die EU besitzt großes Potenzial, die Abhängigkeit von Fremdstaaten bei Lithium und Kobalt zu minimieren oder gar zu beenden", resümieren die beiden Forschenden in ihrem Artikel Lithium und Cobalt – Chancen und Probleme in Bezug auf zwei kritische Rohstoffe in der EU in den BHM Berg- und Hüttenmännische Monatsheften 6/23. Dafür bedürfe es allerdings dreier Maßnahmen:

  1. Primärgewinnung der Rohstoffe aus Vorkommen in der EU
  2. Recycling ausgedienter LIB
  3. Substitution von Lithium und Kobalt durch alternative Materialien

Bergbau in Serbien und Spanien als "großer Schritt"

Einen "äußerst positiven Beitrag" zur Unabhängigkeit von Lithiumimporten sehen die Autoren im Jadar-Projekt in Serbien, einem EU-Beitrittskandidaten. Hier könnten über einen Zeitraum von 40 Jahren rund 58.000 t Lithiumkarbonat abgebaut werden. Allerdings befindet sich das Projekt aufgrund massiver Proteste von Umweltschützern und Bewohnern der Region derzeit in der Schwebe.

Auch das Iberia-Projekt in Spanien wird derweil noch auf seine Umweltverträglichkeit hin überprüft. Hier könnten laut Tost und Lughofer jährlich bis zu 1.200.000 t Lithiumerz beziehungsweise 30.000 t Lithium in Batteriequalität gewonnen werden. Mit diesen beiden Projekten, sind die Autoren überzeugt, "könnte Europa einen großen Schritt in Richtung Selbstversorgung machen".

Weiter fortgeschritten sind die Genehmigungsverfahren für die Projekte Hautalampi und Juomasuo in Finnland. In Hautalampi könnten 4337 t an reinem Kobalt, in Juomasuo 2.370.000 t Erz mit einem durchschnittlichen Kobaltgehalt von 0,13 % gewonnen werden. Zum Vergleich: Im Jahr 2020 wurden laut den Autoren weltweit circa 185.500 t Lithium primär gewonnen; der Weltbedarf an Kobalt betrug im Jahr 2021 147.700 t.

Recycling und Substitution vielversprechend

Ergänzend zu eigenem Bergbau würden Recycling und Materialsubstitution die Abhängigkeit mindern. Die Potenziale hierfür erläutern die Autoren anhand einiger Schlaglichter. Das norwegisch-schwedisch-deutsche Joint Venture Hydrovolt plane seine Kapazität für das Recycling von LIBs von heute rund 12.000 t auf in den nächsten Jahren 125.000 t auszuweiten. Darüber hinaus gibt es umfangreiche Aktivitäten in Industrie und Wissenschaft, die das LIB-Recycling voranbringen sollen, beispielsweise von BASF, Mercedes-Benz oder Volkswagen.

Wie sich kritische Rohstoffe durch leichter verfügbare Materialien substituieren lassen, demonstriert zum Beispiel Tesla. Der Hersteller stattet den Autoren zufolge bereits die Hälfte seiner Fahrzeuge mit Lithium-Phosphat-Batterien aus, die kobaltfrei produziert werden. Außerdem hätten Forschergruppen vielversprechende lithiumfreie Natrium-Ionen-Batterien entwickelt. Die Batterie einer südkoreanischen Gruppe überstehe 500 volle Ladezyklen, bevor ihr Kapazität unter 80 % sinkt, die der chinesischen Gruppe 1200 Zyklen, bevor die Batteriekapazität bei unter 70 % ankommt. Auch deutsche Forschungseinrichtungen sind in der Entwicklung von Natrium-Ionen-Batterien aktiv. Daneben verzichten auch Lithium-Eisenphosphat(LFP)-basierte Batterien auf kritische Rohstoffe, wenngleich sie laut Stefan Bergold vom Unternehmen Farasis Energy in Sachen Reichweite und Ladeleistung noch nicht wettbewerbsfähig sind.

Keine schnellen Lösungen zu erwarten

Trotz des optimistischen Ausblicks bleibt der Weg aus der Abhängigkeit aber lang. Der europäische Rechnungshof rechnet mit einem Zeitraum von mindestens 12 bis 16 Jahren, bis Vorkommen in Europa erschlossen sein könnten. Auch die Rohstoffgewinnung aus dem Batterierecycling wird erst einen spürbaren Effekt haben, wenn es genügend ausgediente LIBs und Produktionsausschuss gibt. Laut Batterieexperte Bergold dürfte es hiermit in etwa zehn Jahren soweit sein.

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