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Erschienen in: BHM Berg- und Hüttenmännische Monatshefte 6/2023

Open Access 04.07.2023 | Originalarbeit

Lithium und Cobalt – Chancen und Probleme in Bezug auf zwei kritische Rohstoffe in der EU

verfasst von: Dipl.-Ing. Clemens Lughofer, Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr. mont. Michael Tost

Erschienen in: BHM Berg- und Hüttenmännische Monatshefte | Ausgabe 6/2023

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Zusammenfassung

Um die Abhängigkeit der Kobalt- und Lithiumversorgung der Europäischen Union von Nicht-EU Ländern zu minimieren, werden neue Möglichkeiten zur Selbstversorgung gesucht. Sowohl die primäre als auch die sekundäre Gewinnung dieser beiden Rohstoffe besitzt innerhalb der Europäischen Union großes Potenzial. Lagerstätten in Finnland (Kobalt) und Spanien (Lithium) dienen neben dem Recycling von Kobalt- und Lithiumhaltigen Lithium-Ionen-Batterien in Norwegen und Deutschland als Basis für eine geringere Abhängigkeit der EU. In diesem Artikel werden die oben genannten Potenziale sowie Substitutionsmöglichkeiten dieser beiden kritischen Rohstoffe näher beschrieben.
Hinweise

Hinweis des Verlags

Der Verlag bleibt in Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutsadressen neutral.

1 Einleitung, Methodik, Ergebnis

Kritische Rohstoffe, wie beispielsweise Lithium und Kobalt, sind für eine moderne und sich technologisch weiterentwickelnde Gesellschaft unabdingbar. Um die Lieferabhängigkeit der Europäischen Union (EU) von Nicht-EU Staaten im Bereich kritischer Rohstoffe zu minimieren, gilt es, sowohl die primären als auch die sekundären Rohstoffquellen ebendieser ökonomisch und ökologisch sinnvoll zu erschließen. Weiters gilt es, Substitutionspotentiale kritischer Rohstoffe im Technologiesektor zu ermitteln, um mittels weitverbreiteter und leichter verfügbarer Rohstoffe ebenfalls die Abhängigkeit von kritischen Rohstoffen zu minimieren.
Um die oben angeführten Ziele zu erreichen, wurde im Zuge der Masterarbeit „Critical Raw Materials and their Meaning for Value Chains in Europe“ eine Literaturrecherche durchgeführt. Die Arbeit gibt einen Überblick über Bergbaupotentiale von Lithium und Kobalt innerhalb der EU, von Recyclingmöglichkeiten bis hin zu Substitutionspotentialen dieser Rohstoffe in deren Hauptanwendungsbereichen.

2 Primärer Abbau von Lithium und Kobalt weltweit sowie Abbaupotentiale in der EU

Betrachtet man die primäre Lithiumgewinnung (Abb. 1), so zeigt sich, dass nur fünf Länder weltweit 98,7 [%] der 185.500 [t] Gesamtproduktion bereitstellen [8].
Betrachtet man die Kobaltproduktion, ist die Situation noch drastischer. Die demokratische Republik Kongo produziert hier alleine rund 70 % des Weltbedarfs, welcher 2021 147.710 t betrug [2]. Nichts desto trotz haben die Mitgliedsstaaten der EU das Potenzial, weitgehend unabhängig von Kobalt und Lithium Importen zu werden. Eine nähere Bekräftigung dieser Aussage ist im folgenden Abschnitt angeführt.

2.1 Potenziale der Lithium- und Kobaltgewinnung in Europa

Um das Potenzial der Lithiumgewinnung in Europa aufzuzeigen, wurde das Jadar Projekt in Serbien – einem Land mit EU Kandidatenstatus – welches vom Rio Tinto Konzern verfolgt wird, näher betrachtet. Bei diesem Projekt könnten über 40 Jahre rund 58.000 t Lithiumkarbonat abgebaut werden. Neben dem vor allem für die Elektromobilität relevanten Rohstoff sollen hier auch jährlich 160.000 t Boroxid und 255.000 t Natriumsulfat gewonnen werden. Aufgrund dieser vielversprechenden Fördermengen hat der Rio Tinto Konzern bereits 450 Mio. $ [9] in das Projekt investiert. Das Investment beinhaltet behördliche Genehmigungen, Umweltverträglichkeitsprüfungen und Tätigkeiten im Bereich der ökologischen und ökonomischen Zufriedenstellung der Bevölkerung im Abbaugebiet. Trotz all dieser Vorbereitungen steht der Rio Tinto Konzern vor einem Problem: Umweltschützer und Bewohner der Region sehen in den geplanten Abbautätigkeiten eine große Gefahr für die Umwelt in der Jadar Region. Es wird behauptet, dass die Genehmigungsverfahren sehr intransparent sind und das bis zu 15.000 landwirtschaftliche Betriebe und Bewohner mit den negativen Folgen der Abbauaktivitäten zurecht kommen müssen. Vor allem ein mangelhaftes Konzept zur Abraumlagerung wird dem Konzern vorgehalten („Proteste gegen Lithium“ [10]). Nichts desto trotz wurden Abbaugenehmigungen seitens der serbischen Regierung ausgestellt, welche das Projekt zunächst als nationales Interesse einstufte. Durch immer stärker werdende Proteste wurden diese Genehmigungen jedoch wieder zurückgezogen. Rio Tinto hat daraufhin angekündigt, Klage einzureichen, um seine Interessen in der Jadar Region umsetzen zu können. Zusammenfassend kann man sagen, dass dieses Projekt grundsätzlich ein hohes Potenzial im Bereich Lithiumbergbau hat. Um dieses Potenzial aber ausschöpfen zu können, muss die serbische Bevölkerung und Regierung vor allem im Bereich der Umweltverträglichkeit zufriedengestellt werden. Wenn Rio Tinto diese Aufgabe bewältigen kann, kann das Jadar Projekt in Zukunft einen äußerst positiven Beitrag zur Lithiumunabhängigkeit von Europa und weiterführend der EU leisten.
Eine ähnliche Situation ist jene rund um das Lithium Iberia Projekt in Spanien. Hier können im Jahr bis zu 1,2 Mt Lithium abgebaut werden. Dieses befindet sich wie das Jadar Projekt in der Entwicklungsphase und durchläuftlange andauernde Umweltverträglichkeitsprüfungen („The Canaveral Lithium Mine“ [13]).
Fallen diese Prüfungen zugunsten der Bergbaukonzerne im Einklang mit der Zufriedenstellung der Anforderungen der Bevölkerung in den Abbaugebieten aus, so hat Europa einen großen Schritt in Richtung Selbstversorgung gemacht.
Betreffend Kobalt bieten das Hautalampi Projekt in Finnland 4337 t an reinem Kobalt [12] und das Juomasuo Projekt 2.370.000 t Erz mit einem durchschnittlichen Kobaltgehalt von 0,13 % [14]. Für das Hautalampi Projekt wurden bereits Genehmigungen zum untertägigen Abbau des Rohstoffes ausgestellt. Weiters steht die finale Bewilligungsphase kurz vor einem Abschluss, und es scheint, als würden keine Komplikationen mehr auftreten, welche einen Abbaustart verzögern könnten [12]. Selbiges gilt für das Juomasuo Projekt, welches sich bereits in einer weit fortgeschrittenen Explorationsphase befindet.

3 Recycling und Substitutionspotentiale

Der Hauptverbraucher der beiden Rohstoffe Lithium und Kobalt ist die Lithium-Ionen-Batterie (LIB) Herstellung. Das norwegisch/schwedischdeutsche Joint Venture Hydrovolt ist eines der größten Batterie Recyclingunternehmen in Europa. Jährlich werden bereits jetzt rund 12.000 t LIBs recycled [3]. Diese Zahl soll in den nächsten Jahren auf 125.000 t erhöht werden, was zu einem enormen Recyclingpotential von Lithium und Kobalt führt („Northvolt produces first“ [7]).
Auch Substitutionsmöglichkeiten der beiden Rohstoffe im LIB-Bereich sind bereits sehr weit entwickelt. Tesla bespielsweise stattet bereits rund die Hälfte seiner Fahrzeuge mit sogenannten LFP-Batterien aus. Diese Lithium-Eisenphosphat-Batterien (Abb. 2) werden kobaltfrei produziert und weisen größtenteils dieselben Eigenschaften wie LIBs auf [6].
Auch das Substitutionspotential von Lithium ist bereits weit erforscht. Eine Südkoreanische Forschungsgruppe konnte Natrium-Ionen-Batterien produzieren, welche 500 volle Ladezyklen überstehen, bevor die Kapazität der Batterie auf rund 80 % sinkt. Auch eine chinesische Forschergruppe konnte Erfolge auf diesem Gebiet erzielen und entwickelte Natrium-Ionen-Batterien die 1200 Ladezyklen überleben, bevor die Batteriekapazität auf 70 % sinkt [4]. Da diese Batterien ähnlich gute Eigenschaften wie LIBs aufweisen, können sie einen Beitrag zur Reduktion des Lithiumverbrauchs leisten und somit ebenfalls die Abhängigkeit der EU von anderen Staaten reduzieren.

4 Resultat

Aktuell sind rund 44 % des weltweiten Kobaltverbrauchs [1] und rund 67 % des weltweiten Lithiumverbrauchs [11] auf die Produktion von LIBs zurückzuführen (Abb. 3).
Durch die angeführten Substitutionsmöglichkeiten besteht die Möglichkeit, diese Zahlen stark zu minimieren. Weiters bietet sich für die EU die Möglichkeit, bei einer potenziellen Reduktion des Bedarfs dieser beiden Rohstoffe auch im Bereich Primärgewinnung die gefragten Rohstoffe selbst abzubauen. Betrachtet man auch noch Recyclingmöglichkeiten, so stellt sich heraus, dass die EU aus einer Kombination dieser drei Punkte großes Potenzial besitzt, die Abhängigkeit von Fremdstaaten bezugnehmend auf diese beiden Rohstoffe zu minimieren oder gar zu beenden.

Interessenkonflikt

C. Lughofer und M. Tost geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
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Hinweis des Verlags

Der Verlag bleibt in Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutsadressen neutral.
Literatur
Metadaten
Titel
Lithium und Cobalt – Chancen und Probleme in Bezug auf zwei kritische Rohstoffe in der EU
verfasst von
Dipl.-Ing. Clemens Lughofer
Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr. mont. Michael Tost
Publikationsdatum
04.07.2023
Verlag
Springer Vienna
Erschienen in
BHM Berg- und Hüttenmännische Monatshefte / Ausgabe 6/2023
Print ISSN: 0005-8912
Elektronische ISSN: 1613-7531
DOI
https://doi.org/10.1007/s00501-023-01369-w

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