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12.05.2023 | Synthetische Kraftstoffe | Schwerpunkt | Online-Artikel

Darum bietet Chile gute Bedingungen für E-Fuels

verfasst von: Frank Urbansky

6 Min. Lesedauer

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Südamerika ist mehr als nur ein schlafender Riese. Beim Kraftstoff kommt regional auf den Tisch, was da ist. Einen Sonderfall stellt Chile dar, das mit internationaler und insbesondere deutscher Unterstützung auch auf E-Fuels setzt. 

Chile hat eine geografische Besonderheit. Da das Land sich über rund 4.200 km wie ein schmaler Schlauch erstreckt, nimmt die Logistik einen besonderen Stellenwert ein – sowohl auf der Straße als auch auf der Schiene. Zudem wohnt ein Drittel der Bewohner im Großraum der Hauptstadt Santiago. Und: Chile ist ein Bergbauland – der Sektor ist hier wirtschaftsprägend und bisher komplett von fossilen Kraftstoffen abhängig. Doch das soll sich ändern.

Ethanol ist keine Alternative für Benzin. "Bioethanol ist vernachlässigbar, weil Chile keine entsprechende Landwirtschaft hat, die diese Mengen bereitstellen könnte", erklärt Christoph Meyer, Senior Project Manager Energy, Mining & Sustainability der AHK Chile. Gleiches gilt für Biogas. Zwar gäbe es eine Viehwirtschaft, aber auch hier seien die nutzbaren Mengen marginal. Auch Flüssig- oder Autogas (LPG) kommt kaum vor. Es findet sich eher in Haushalten zum Heizen und Kochen. Meyer beziffert die jährlichen Neuzulassungen von Autogas-Fahrzeugen auf 6.000 Fahrzeuge bei einem Gesamtbestand von 5 bis 6 Millionen. Derzeit müssen Fahrzeuge ein bestimmtes Mindestalter aufweisen, um auf Erdgas umgerüstet werden zu können. Dieses soll nun auf sieben Jahre festgelegt werden, was eine LPG-Umrüstung für Bestandsautos interessant machen könnte. Laut Meyer wäre das eine echte, günstigere Alternative zu Elektroautos.

Erdgas (CNG) spielt eine kleine Rolle, wird jedoch eher aus Argentinien importiert. Chile hat zwar eine eigene Erdöl- und Erdgasförderung. Doch die findet sich vor allem im Süden des Landes, wo Raffinerien den Bedarf decken. 

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Südamerika ist bei Kraftstoff kreativer als Europa

Südamerika ist mehr als nur ein schlafender Riese. Brasilien ist eine vor Kraft strotzende Volkswirtschaft, Argentinien ist zwar krisengeschüttelt, rappelt sich aber immer wieder auf, und der Norden ist reich an Rohstoffen. Beim Kraftstoff nutzt jedes Land seine eigenen Möglichkeiten und Ressourcen. Während das in Brasilien und Paraguay Bioethanol ist, setzt Argentinien auf Gas und Biodiesel, und Kolumbien kann sich mit Öl und Gas komplett selbst versorgen. Einen an dieser Stelle ausgeklammerten Sonderfall stellt Chile dar. Ein Bericht zu den Bemühungen des Landes in Bezug auf E-Fuels ist online auf springerprofessional.de abrufbar.

Elektromobilität setzt sich im Privat-Bereich nur schwer durch

Chile hat eine nationale Elektromobilitätsstrategie. 2020 wurden 6.000 Fahrzeuge neu zugelassen – vor allem im Großraum Santiago. Bis 2035 soll der Anteil wesentlich ausgebaut und auch auf leichte Nutzfahrzeuge ausgedehnt werden. Im Fokus stehen auch ÖPNV und Flotten. In Santiago fuhren Ende 2022 über 1.700 Elektrobusse. Das sei, so Meyer, die größte E-Bus-Flotte außerhalb Chinas in einer Stadt.

Für Taxis gibt es ein spezielles Förderprogramm zum Umstieg auf Elektromobilität, das auch für öffentliche Flotten, etwa die Dienstfahrzeuge von Ministerien, gilt. Für private Pkw gibt es dies jedoch nicht. Deswegen werde sich, so Meyer, die Elektromobilität im privaten Bereich nur schwer durchsetzen. Das liege auch an der Infrastruktur. Von den 800 Ladesäulen landesweit stünden 200 in der Region Santiago. Letztlich liege es aber auch am Anschaffungspreis, wenngleich Strom mit 13 bis 14 Cent je kWh im Vergleich zu Benzin und Diesel (1,40 Euro je Liter) günstig sei. Im Strommix nehmen die erneuerbaren Energien heute 40 % ein, und der Anteil wird weiter wachsen.

Bei den Fahrzeugen ist Chile zudem komplett auf Importe angewiesen. Ein letztes Autowerk von GM im Norden des Landes wurde vor etwa zehn Jahren aufgegeben. Hingegen gäbe es Bushersteller wie Reborn electric, die Fahrzeuge umrüsteten. Auch für Pkw gäbe es das mit Moveenair. Derzeit, so Meyer, sei das zwar nicht legal, würde wohl aber wieder ermöglicht. Elektrofahrzeuge gibt es schon in der innerstädtischen Logistik, hier meist chinesische Modelle.

Chile ist ein idealer Standort für Elektrolyseure

Da Chile sowohl wind- als auch sonnenreich ist, ist es ein idealer Standort für Elektrolyseure. Ein schon lange etabliertes, immer noch effizientes, aber nicht mehr oft angewandtes Verfahren zur Herstellung von Wasserstoff ist die Elektrolyse von Wasser. Durch Einsatz elektrischer Energie und nach Zugabe kleiner Mengen katalytisch wirksamer Säure wird Wasser in Wasser- und Sauerstoff gespalten. Wasserstoff könnte also in der Mobilität der Zukunft hier, anders als in anderen Ländern des Kontinents, eine Rolle spielen.

Ein Bereich, der ganz oben auf der Umrüstungsagenda steht, ist der Bergbau. Meyer nennt die Muldenkipper, von denen es im Land 1.500 gibt, und die je Stunde etwa 1.000 l Diesel verbrauchen. Für eine kurze Zeit könnten dieselartige E- oder Synfuels die Lücke füllen. Bei einem Forschungsprojekt zur Umrüstung von Bergbau-Lkw ist Liebherr einer der Partner. Die Fraunhofer-Gesellschaft arbeitet derzeit an diesem Projekt gemeinsam mit Liebherr und Linde. Ziel sei jedoch ein reiner Wasserstoffbetrieb.

Wasserstoff als Treibstoff wäre ebenfalls eine Idee für die innerstädtische Busflotte in Santiago, aber auch für Überlandbusse und den Transport von Bergbaupersonal oder den Forstsektor. Dafür müsse es in den nächsten Jahren, zumindest bis spätestens 2028, eine Wasserstoffstrategie geben, die auch synthetische Kraftstoffe für Lkw berücksichtige. "Gerade synthetische Kraftstoffe aus H2 werden ein riesiges Thema in Flugindustrie und Schifffahrt, da man daraus auch Methanol oder Ammoniak herstellen kann. Wir haben in Chile so gute Bedingungen, sodass wir im großen Stil synthetische Kraftstoffe nach Europa exportieren könnten", so Meyer. Deutsche Firmen wirken schon an diesen Strategien mit, so Enercon als Windkraftanlagenbauer, RWE oder ThyssenKrupp als Anlagenbauer. Auf Seiten der Elektrolyseuranbieter sind Enapter und Siemens aktiv.

Porsches E-Fuel-Projekt in Chile

Porsche, Siemens Energy und weitere, meist internationale Unternehmen wollen mit der vom chilenischen Unternehmen HIF betriebenen Pilotanlage Haru Oni im Süden Chiles E-Fuels erzeugen. Daraus soll die weltweit erste integrierte und kommerzielle Großanlage entstehen. Die Pilotanlage soll ab 2023 jährlich 130.000 l nahezu CO2-neutralen – weil ausschließlich mit Windenergie, Wasser und CO2 hergestellten – E-Fuel erzeugen. "Mit dem Haru-Oni-Projekt in Patagonien von Siemens und Porsche ist ein Weg aufgezeigt, wie mit Wind- und Sonnenenergie durch Elektrolyse Wasserstoff erzeugt wird. Dieser kann mittels CO2-Air-Capturing zu E-Methanol umgesetzt oder direkt als grüner Wasserstoff genutzt werden", sagt Professor Dr.-Ing. Wilhelm Hannibal von der Fachhochschule Südwestfalen
in seinem Gastkommentar E-Fuels und Wasserstoff in der Mobilität schonen die Ressourcen der Erde aus der MTZ 9-2022.

"Die Anlage läuft seit der Eröffnung im Dezember 2022 im Testbetrieb. Erste Mengen Sprit für Testzwecke sind bereits produziert worden", erklärt Hermann-Josef Stappen, Pressesprecher Forschung und Entwicklung bei Porsche. Mit dem Strom aus einer 3,4-MW-Windturbine wird per Elektrolyse zunächst grüner Wasserstoff hergestellt. Zusammen mit CO2 entsteht daraus Methanol. Per Methanol-to-Gasoline-Verfahren wird daraus schließlich ein Rohbenzin für Ottomotoren.

Der Kraftstoff wird so hergestellt und mit Klopffestigkeitszusätzen ergänzt, dass er der aktuellen Benzinnorm DIN EN228 entspricht. Damit kann er direkt verwendet oder fossilem Kraftstoff beigemischt werden. Die prognostizierten 130.000 l pro Jahr werden von Porsche im Porsche Mobil 1 Supercup sowie in weiteren Leuchtturm-Projekten – etwa in den Porsche Experience Centern – eingesetzt. "In etwa drei Jahren sollen in weiteren Anlagen in Chile rund 55 Millionen l E-Fuels produziert werden können. 2028 stehen 550 Millionen l als Ziel", so Stappen. Diese Mengen könnten dann mit dem Tanker nach Europa geschafft werden. Wie sie dann verwendet werden, sei noch nicht entschieden. 

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