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21.03.2023 | Automobilwirtschaft | Schwerpunkt | Online-Artikel

Was bedeutet der Inflation Reduction Act für die Autoindustrie?

verfasst von: Christiane Köllner

5:30 Min. Lesedauer

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Der Inflation Reduction Act sorgt für Aufruhr in der Autoindustrie. Hiesige Unternehmen befürchten durch den IRA das Wegbrechen ihres Exportmarkts in Nordamerika. Das US-Gesetz und seine Folgen für die Branche. 

In Europa hat der "Inflation Reduction Act", der Milliardenhilfen für Klimaschutz und nachhaltige Technologien vorsieht, für Wirbel gesorgt. Politik und Wirtschaft sehen im Investitionspaket der Vereinigten Staaten eine Gefahr für die europäische Wirtschaft. Angesichts attraktiver US-Subventionen wird befürchtet, dass einige europäische Unternehmen in die USA abwandern könnten. Um einen Handelsstreit zu verhindern, verhandelt die Europäische Union (EU) mit der US-Regierung über die Unstimmigkeiten. Damit Europa im Wettbewerb bei "grünen" Technologien bestehen kann, will die EU mit Beihilfen und eigenen Investitionsprogrammen kontern, um den europäischen Standort zu schützen. 

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2023 | OriginalPaper | Buchkapitel

Environmental Policy in Practice

In 2022, the US, for the first time in decades, passed the Inflation Reduction Act, which is predicted to make significant strides to combatting global climate change. The US continues to confront a host of environmental issues that range from protecting the gray wolf in Wyoming and Montana, preventing drinking water contamination to endeavoring to preserve biodiversity and combating climate change. Although the environmental problems we confront are more complex than those in Dr. Seuss’s The Lorax, the choices they present are no less stark. The following pages demonstrate how addressing challenges through the lens of environmental policy in the US.

Inflation Reduction Act: Förderung grüner Technologien

Das Inflationsbekämpfungsgesetz (Inflation Reduction Act, IRA) wurde im August 2022 von der US-Regierung im Kampf gegen die hohe Inflation beschlossen. Das Klimaschutz- und Sozialpaket umfasst ein Gesamtvolumen von 430 Milliarden Dollar (400 Milliarden Euro). "Der 2022 in den USA erlassene 'Inflation Reduction Act' sieht für die folgenden zehn Jahre massive Steuererleichterungen für Investitionen in die regenerative Energieproduktion vor", so Springer-Autor Eckart Koch im Kapitel Importpolitik (Seite 137) des Buchs Internationale Wirtschaftsbeziehungen I

Die Förderung der grünen Technologien ist zum Großteil an die Produktion am Ort ("local content") gekoppelt, gilt also vorwiegend für ausschließlich in den USA gefertigte Produkte. Gefördert werden zum Beispiel Elektrofahrzeuge nur bei einem hohen Anteil der Wertschöpfung und einer Endfertigung in Nordamerika. Zudem gibt es weitere Einschränkungen, etwa Preis- und Einkommensobergrenzen, sowie Vorschriften für die Produktion und Lieferketten von Batterien für E-Autos. "Damit fördern diese Subventionen einseitig amerikanische Unternehmen und benachteiligen ausländische Wettbewerber", so Springer-Autor Koch. 

Inzwischen zeichnen sich aber Verbesserungen ab. Schon Ende 2022 hatten die EU und USA einen Streit in puncto E-Auto-Subvention beigelegt. Bei Elektroautos, die in den USA geleast werden, soll es Ausnahmen für europäische Anbieter geben, damit diese auch von Steuervorteilen in den USA profitieren könnten. Überhaupt muss relativierend angeführt werden: Zum einen produziert die deutsche Autoindustrie bereits einige Modelle vor Ort in den USA und in Nordamerika. Zudem anderen ist der Exporte von E-Autos bislang noch recht überschaubar. Das dürfte sich allerdings mittelfristig ändern.

IRA sorgt für Investitionsverlagerungen

Wie sehr der Standort Deutschland aufgrund des US-Gesetztes in Bedrängnis geraten könnte, zeigt eine Umfrage der deutsch-amerikanischen Handelskammer. Demnach sei für 17 % der befragten deutschen Unternehmen in den USA der IRA ein Grund, ihre Investitionen auszuweiten oder zu expandieren. Die niedrigen Energiekosten würden nur von 3 % der Betriebe als Investitionstreiber genannt.

Beispiele von Unternehmen aus der Automobilbranche, die Investitionen in den USA planen oder bestehende Standorte ausbauen, gibt es einige. So plant der Automobilhersteller BMW Investitionen in Höhe von 1,7 Milliarden US-Dollar in das Werk in Spartanburg im Bundesstaat South Carolina. Davon fließt eine Milliarde US-Dollar direkt in das Werk, weitere 700 Millionen US-Dollar sollen in den Bau einer Hochvoltbatterie-Montage im benachbarten Woodruff investiert werden. Bis 2030 will die BMW Group in den USA mindestens sechs vollelektrische Modelle bauen. Konkurrent Audi erwägt laut Medienberichten, ein erstes US-Werk für Elektrofahrzeuge zu bauen, und Volkswagen ein US-Batteriewerk. Vom IRA will auch Automobilzulieferer Schaeffler profitieren und die Möglichkeiten des Investitionsprogrammes ausloten.

Europäische Batterieproduktion gefährdet

Aufgrund des Inflation Reduction Act könnte auch Europas Batteriezellproduktion ins Wanken geraten. Wie Transport & Environment (T&E) warnt, seien über zwei Drittel der in Europa geplanten Produktionskapazitäten für Batteriezellen gefährdet – insbesondere wegen der US-Subventionen, die für Unternehmen ein attraktiveres Umfeld böten als Europa. Das entspreche 18 Millionen Elektroautos beziehungsweise 1,2 TWh. Ohne diesen Ausbau sei Europa nicht in der Lage, seine Batterienachfrage im Jahr 2030 zu befriedigen und werde auf Importe von ausländischen Wettbewerbern angewiesen sein.

Deutschland, Ungarn, Spanien, Italien und das Vereinigte Königreich hätten laut T&E am meisten zu verlieren, wenn die Batteriehersteller ihre Pläne änderten. Bei Teslas Gigafabrik in Berlin bestehe das größte Risiko, dass sich die Produktion in Europa verzögere. Für die geplante Gigafabrik von Northvolt in Heide bestehe ein mittleres Risiko, da das Unternehmen nur einen Teil der Finanzierung gesichert und noch nicht mit dem Bau begonnen habe. Italvolt in der Nähe von Turin laufe Gefahr, zugunsten des Schwesterprojekts Statevolt in Kalifornien zurückgestellt zu werden.

T&E fordert daher eine EU-weite finanzielle Unterstützung zur Ausweitung der Batterieproduktion sowie schnellere und vereinfachte Genehmigungsverfahren, um Projekte zu sichern, die durch die US-Subventionen gefährdet seien.

Local-Content-Anforderungen auch für US-Unternehmen schwierig

Doch der Inflation Reduction Act ist nicht nur eine Herausforderung für europäische Unternehmen. Auch US-Unternehmen könnten Schwierigkeiten haben, die Local-Content-Anforderungen des Inflation Reduction Act zu erfüllen, wie eine Analyse des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) ergeben hat. Das Investitionspaket fördert Unternehmen mit Steuervergünstigungen, wenn sie grüne Technologien und kritische Rohstoffe in den USA produzieren oder aus Ländern beziehen, mit denen Freihandelsabkommen bestehen. Doch bisher kommen 76 % der kritischen Rohstoffe aus Ländern ohne Freihandelsabkommen mit den USA. Und auch ausgewählte grüne Technologien wie Photovoltaik, Windturbinen oder Lithium-Batterien stammen zu mehr als der Hälfte aus Nicht-Freihandelsländern.

Das heißt: Aufgrund ihrer starken Rohstoff- und Technologieabhängigkeit kann die USA kurzfristig nicht auf Handelspartner ohne Freihandelsabkommen verzichten. Laut DIW hätten die USA daher nur drei Möglichkeiten: Entweder ziehen sie die Produktion dieser Technologien in die USA, sie lockern ihre Bedingungen oder sie schließen länder- und sektorspezifische Verträge, die Ausnahmeregelungen vorsehen.

Für die EU, die bisher kein Freihandelsabkommen mit den USA abgeschlossen hat, ist dieses "Gesetz mit seinen Local-Content-Anforderungen eine Hürde in den wirtschaftlichen Beziehungen zu den USA", heißt es vom DIW. Die EU hat aber Gegenmaßnahmen angekündigt. Am 16. März hat die EU-Kommission den Net Zero Industry Act veröffentlicht, der Teil ihrer Antwort auf die Steuervergünstigungen und Subventionen des IRA ist. Zudem planen die USA und EU laut Medienberichten ein gezieltes Abkommen über kritische Batteriemineralien für E-Autos. Man arbeite daran, so EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, dass in der EU gewonnene kritische Rohstoffe den gleichen Zugang zum amerikanischen Markt erhalten, als ob sie auf dem amerikanischen Markt gewonnen worden wären.

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