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28.09.2023 | Lieferkettenmanagement | Im Fokus | Online-Artikel

Wie sich Lieferketten in der Autoindustrie wandeln

verfasst von: Christiane Köllner

4:30 Min. Lesedauer

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Zwar stabilisieren sich die Lieferketten in der Autoindustrie gerade. Für langfristige Resilienz müssen sie sich aber auch wandeln. Wie Nearshoring, Digitalisierung und Kreislaufwirtschaft die Lieferketten verändern. 

Die Automobilhersteller sind zuversichtlicher, dass sie künftige Unterbrechungen in der Lieferkette bewältigen können, geht aus der Studie des Capgemini Research Institute "The Automotive Supply Chain: Pursuing long-term Resilience" hervor. Inzwischen hätten sie ihre Auftragsrückstände um 61 % reduziert, so die Studie, für die mehr als 1.000 Führungskräfte von weltweit führenden Automobilunternehmen aus zehn Ländern befragt wurden. Für das nächste Jahr werde ein weiterer Rückgang um 39 % erwartet. 

Zuletzt waren die Automobilhersteller gezwungen, ihr Supply-Chain-Management bei laufendem Betrieb zu überdenken, umzustrukturieren und zu refinanzieren. Zwar hätten sich die Probleme kurzfristig lösen lassen, aber die Lieferketten würden sich aufgrund ihrer Komplexität und sich verändernder Faktoren weiter wandeln. So habe der Aufbau von Lagerbeständen die Resilienz erhöht, dies sei aber keine langfristige Strategie. Um künftig zu bestehen, muss das Lieferkettenmanagement auf folgende Transformationsfaktoren reagieren. Dazu gehören verstärktes Nearshoring, das vor allem durch die Einführung von Elektro- und softwaredefinierten Fahrzeugen sowie regulatorischen und politischen Entwicklungen befördert wird, Nachhaltigkeitsanforderungen sowie Digitalisierung. 

Beschaffung aus Offshoring-Standorten geht zurück

Die Lieferkettenumstellung bei Halbleitern und Elektrofahrzeugen soll Nearshoring , also die Rückverlagerung von Produktionsstätten in den Absatzmarkt oder in seine Nähe, beschleunigen. Nur die Hälfte der OEMs sehe, so Capgemini, die derzeitige Versorgung mit Halbleiterkomponenten als gesichert an. Von diesen hätten 70 % angegeben, dass der Großteil der Lieferungen derzeit aus China, Taiwan, Japan und Korea komme. Um eine höhere Versorgungssicherheit zu erreichen, investierten die OEMs in alternative Beschaffungsmethoden und entfernten sich von den Tier-1- und Tier-2-Lieferanten, so die Analysten. Außerdem hätten sich die OEMs die Rohstoffe für EV-Batterien im Durchschnitt nur für drei Jahre gesichert.

Der Nearshoring-Trend und damit eine globale Neuausrichtung ist bereits heute zu erkennen. So sei die Beschaffung an Offshore-Standorten in den letzten zwei Jahren um 22 % zurückgegangen. Europa führe diesen Trend an und habe die Offshore-Beschaffung seit 2021 um 25 % reduziert; in Deutschland falle der Rückgang mit 27 % am höchsten aus, so die Studie. Dahinter folgen APAC und die USA, die die Offshore-Beschaffung um 20 bzw. 18 % reduziert hätten. Der Studie zufolge erwarten die Automobilunternehmen, dass die Beschaffung aus Offshoring-Standorten bis 2025 um weitere 19 % zurückgehen wird, da die Produktion von Elektrofahrzeugen steige und die Herstellung von wichtigen Elektronikkomponenten verlagert werde.

Nachhaltigkeitsbemühungen stocken

Obwohl Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft wichtige Bestandteile der widerstandsfähigeren Lieferkette der Zukunft sind, haben weniger als die Hälfte der Unternehmen in den letzten zwölf Monaten wichtige Initiativen für eine nachhaltige Lieferkette umgesetzt, so die Studie. Nur 13 % würden diese Initiativen aktiv weiterentwickeln. Grund seien mehrere aufeinanderfolgende Krisen in der Lieferkette, die das Thema Nachhaltigkeit in den Hintergrund haben treten lassen. Zudem hätten sich Initiativen zur Kreislaufwirtschaft wegen eines Mangels an Lieferanten von Recyclingmaterialien (und den Materialien selbst) verzögert. 

Dass die Nachhaltigkeitsbemühungen in der automobilen Lieferkette ins Stocken geraten sind, verdeutlicht auch folgende Zahl: Nur 37 % der befragten Unternehmen hätten angegeben, dass Themen wie das Management des CO2-Fußabdrucks und Umweltrisiken die Entscheidungsfindung in der Lieferkette beeinflussen. Das rückläufige Investitionsverhalten in der gesamten Branche spiegele diesen Trend wider: Während die Gesamtinvestitionen der OEMs in die Nachhaltigkeit der Lieferkette auf dem Niveau des Vorjahres lägen, seien die jährlichen Investitionen der Zulieferer mit 17 % deutlich zurückgegangen. Das Problem: OEMs müssen Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft mit Faktoren wie Kosten und Erschwinglichkeit in Einklang bringen. Die Studie zeigt, dass digitale Lösungen dabei helfen können.

Lieferkettenrisiken reduzieren durch Technologiesprung

Um ein zuverlässigeres Zulieferer-Ökosystem zu schaffen, sind Sichtbarkeit und Transparenz der Schlüssel. Automobilhersteller sollten daher eine langfristige, intelligente und datengesteuerte Strategie entwickeln, die Widerstandsfähigkeit und Wettbewerbsvorteile schafft, rät Capgemini. Doch nur etwas mehr als die Hälfte der Befragten verfügt über eine ausgereifte intelligente Lieferkette, die eine datengestützte Entscheidungsfindung und die Integration neuerer Technologien wie künstliche Intelligenz und Datenanalyse ermöglicht. Laut Capgemini ließen sich Widerstandsfähigkeit und Nachhaltigkeit durch eine stärkere Beteiligung an standardisierten, offenen und vertrauenswürdigen Datenökosystemen vorantreiben.

Ergebnisse der aktuellen Supply Chain Pulse Survey von McKinsey deuten aber darauf hin, dass eine technologische Revolution im Lieferkettenmanagement im Gange ist. In diesem Jahr sei der Anteil der Befragten, die Dashboards für die End-to-End-Transparenz eingeführt haben, deutlich auf 79 % gestiegen. Die Umfrage zeigt auch eine deutliche Zunahme beim Einsatz von Advanced Planning and Scheduling-Systemen. "End-to-End-Transparenz, effektive Szenarioplanung und der Zugang zu IT-Fachkräften sind die drei wichtigsten Faktoren, um Lieferketten widerstandsfähig zu machen", bringt es Knut Alicke, Partner von McKinsey in Stuttgart und als Professor für Supply Chain Management an der Universität Köln tätig, auf den Punkt. Allerdings: Während es Fortschritte bei den beiden erstgenannten Maßnahmen gibt, hakt es beim Zugang zu qualifizierten Fachkräften. Weltweit geben laut McKinsey nur 8 % an, dass sie auf eine ausreichende Zahl von IT-Experten zurückgreifen können, um ihre Digitalisierungsziele zu erreichen.

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