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Erschienen in: Zeitschrift für Außen- und Sicherheitspolitik 4/2017

06.11.2017 | Essay

Tauchfahrt im Pazifik. Deutschlands Scheitern im australischen U‑Boot-Poker und die Grenzen der deutschen Rüstungspolitik

verfasst von: Dr. Joachim Weber

Erschienen in: Zeitschrift für Außen- und Sicherheitspolitik | Ausgabe 4/2017

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Zusammenfassung

Als Australien Ende April 2016 die Entscheidung über den Partner seines künftigen U‑Boot-Programms (Sea 1000) verkündete, war die deutsche Enttäuschung groß. TKMS hatte zum zweiten Mal in 30 Jahren gegen einen anderen europäischen Wettbewerber verloren. Frankreich mit der Staats-Marinewerft DCNS wurde Sieger, trotz eines teureren Angebotes, das Canberra überzeugte und offenkundig nukleare Antriebsoptionen offen lässt. Der Verlust des Auftrages reiht sich ein in eine Kette ähnlicher Misserfolge, die grundlegende rüstungswirtschaftliche, politisch-strukturelle und strategische Überlegungen verlangen, einschließlich der Exportfrage. Das Weißbuch 2016 zeigt immerhin erste Ansätze eines neuen Nachdenkens über diese Frage.

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Fußnoten
1
Die Ursachenforschung in einem politikwissenschaftlichen oder historischen Sinn stößt zunächst auch in diesem Fall an die Schranken des beschränkten Quellenzugangs. Letzte Klarheit wird in Jahren oder spätestens Jahrzehnten der Einblick in die Unterlagen der australischen Entscheidenden ermöglichen. Gleichwohl ist es nicht nötig, darauf zu warten, denn die Vernetzung der Akteure und das bereits jetzt durch Analyse und intensive Recherche zugänglich Gewordene ermöglicht ein relativ klares Bild der Dinge. Neben zahlreichen, auch im Internet öffentlich zugänglichen Quellen, konnte auf ein belastbares Experten-Netzwerk in Deutschland, Europa, den USA und Australien zurückgegriffen werden, darunter vor allem auf diejenigen, die unmittelbar in Ministerien, Firmen, think tanks und Verbänden mit der australischen Angelegenheit in den entscheidenden 14 Monaten zwischen Februar 2015 und April 2016 befasst waren; wunschgemäß bleiben die meisten von ihnen ungenannt.
 
2
Bereits fünf Monate vor der Verkündung der Entscheidung durch Australien Evelyn de Andrade Mahlik (2015) mit dem Hinweis, dass DCNS gewinnen dürfte.
 
3
Im vorliegenden Artikel wird, abweichend vom ZfAS-Standard, bei personenbezogenen Substantiven die männliche grammatikalische Form verwendet. Der Autor schließt damit Personen weiblichen wie männlichen Geschlechts gleichermaßen ein.
 
4
Der Ablauf des CEP mit entsprechender Einordnung in technischer, rüstungs- und sicherheitspolitischer Hinsicht wurde jüngst kompetent und detailreich von Raimund Wallner (2016) geleistet.
 
5
Zum aktuellen Sachstand vgl. Ohff 2017.
 
6
Peter Jennings im Interview mit Brendan Nicholson (2016).
 
7
Die Einzelheiten dazu fundiert bei Luiz Alberto Moniz-Bandara (2013, S. 210–221).
 
8
Zahlreiche Fundstellen dazu im Pressebereich unter dem Stichwort EADS der Meere im Internet, vor allem im August 2011 nach einem erneuten Vorstoß der Franzosen hinter der Kulisse.
 
9
„Die Voraussetzung für Gespräche wäre ein Angebot, das den Wert des Geschäfts abbildet“, so der Konzernchef z. B. im Interview mit der Süddeutschen Zeitung (Beise et al. 2014, S. 9), hier im Kontext mit dem nur einen Monat vorher von der Wirtschaftswoche gemeldeten Abbruch der angeblichen Verkaufsgespräche mit Rheinmetall, die an einer Differenz von 100 Mio. gescheitert sein sollen. Diverse Branchenkenner bestätigen auch Gespräche mit DCNS, auch wenn diese öffentlich ebenso wie die Rheinmetall-Verhandlungen immer wieder dementiert wurden.
 
10
Über das damalige Geschehen und die darin enthaltene Fehleranalyse zum deutschen Angebot unterrichtet die einzige Monographie zum Thema Collins U‑Boote (Yule und Woolner 2008).
 
11
In dieser Richtung bereits Hans J. Ohff (2016); Ohff war Werftchef bei der Australia Submarine Corporation (ASC) in Adelaide beim Bau der Collins-Klasse.
 
12
U.a. H. Borchert (2016, S. 5-6) mit der Kernforderung, als Team Deutschland ressortübergreifender und sichtbarer zu agieren, als bislang geschehen.
 
13
Wiedergabe der entscheidenden Passagen mit kurzer Bewertung auch im Griephan (2016).
 
14
Das wäre fast das Doppelte des TKMS-Angebotes, scheint aber irreführend, denn hier müsste geschaut werden, welcher Zeitpunkt und welche späteren Leistungen über die Ablieferung hinaus, also in Wartung, Modernisierung und auch im Offset-Bereich inkludiert sind.
 
15
Man könnte hier bis auf den zweiten Irakkrieg zurückgehen, an dem sich Deutschland (richtigerweise) nicht beteiligt hat, aber die Form, in der die Nichtbeteiligung wahlkampfmäßig ausgeschlachtet wurde, war gleichwohl irritierend. Die Nichtbeteiligung bei der Libyen-Intervention ist kontroverser diskutiert worden, aber sicher nicht folgenlos geblieben für die Wahrnehmung der bündnispolitischen Berechenbarkeit Deutschlands. Viele andere Dinge bis hin zur jüngsten Kritik aus dem AA an NATO-Manövern in Polen stärken das Vertrauen nicht.
 
16
So auch der schon erwähnte französische Verteidigungsminister Le Drian, der davon sprach, dass Frankreich sich auf ein halbes Jahrhundert mit Australien verheiratet habe. Wie sehr Frankreich auf die strategische Karte gesetzt hat und dabei gemeinsame Interessen in der Gegenwart und symbolpolitisch solche aus der Vergangenheit bemüht hat, wird sehr kenntnisreich herausgearbeitet von der Pariser Korrespondentin der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Michaela Wiegel (2016).
 
17
Diese Aussage traf der Interviewte in einem Gespräch mit dem Autor des vorliegenden Beitrags.
 
18
Erste zaghafte Versuche strategischen Nachdenkens in Form des neuen Weißbuchs, das viele Lagebeschreibungen, aber wenig Schlussfolgerungen enthält, bleiben unzureichend und können nur als ein tastender Schritt bewertet werden. Vgl. dazu pointiert Thorsten Jungholt (2016), der mit Blick auf diese einstmals zweijährig erstellten, dann aber bis dato nur noch 1996 und 2006 vorgelegten Schlüsseldokumente feststellt: „Ausgerechnet nach der Zeitenwende 1990, als die außen- und sicherheitspolitischen Anforderungen sich so fundamental wie temporeich wandelten, stellte die Bundesregierung das strategische Nachdenken darüber quasi ein“.
 
19
Die Literatur dazu ist inzwischen fast unüberschaubar, hier durchaus im Sinne des ambitionierten Konzeptes von Hanns W. Maull (2007) verstanden. Allerdings wurde diese Politik schon Jahrzehnte betrieben und ist daraus eher abstrahiert.
 
20
Zu den inhärenten Widersprüchen pars pro toto z. B. schon Anna Geis (2005): „Die einstige Zivilmacht-Rolle gibt keine Orientierung mehr“.
 
21
„Deutschland gibt sich wie ein gefühlsgeleiteter Hippie-Staat“, so der britische Politologe Anthony Glees (2015) im Deutschlandfunk. Zurückhaltender, aber grundsätzlicher auch schon der einstige Kohl-Berater und heutige Publizist Michael Stürmer (2011): „Deutschland ist unberechenbarer geworden“.
 
22
Die massenmedialen wie zivilgesellschaftlichen Bewertungen sind dabei meist kontrafaktisch, denn die angeblich boomenden deutschen Exporte sind im Zeitraum von 2010 bis 2014 gegenüber dem Vergleichszeitraum von 2005 bis 2009 bereits um 43 % gesunken, liegen bei ca. 5 % Marktanteil und gehen in der übergroßen Masse an Verbündete und befreundete Staaten. Der Anteil von Kleinwaffen, die unter Aspekten humanitärer Sicherheit in der Tat sehr problematisch sind, ist verschwindend gering und schrumpft weiter (Deutschlandfunk 2015).
 
23
Dies bezieht sich darauf, dass ein Rüstungsprodukt keinen deutschen Zuliefereranteil mehr hat und infolgedessen Planung, Produktion und Auslieferung nicht mehr durch Interventionen der deutschen Rüstungsexportprüfung durcheinander gebracht werden können. Diese hatte zuletzt immer wieder zu Bauverzögerungen, hohen Kosten und Verärgerung bei Kunden geführt, z. B. auch beim Bau der TKMS Export-U-Boote für Südkorea.
 
24
Genau dies, also die Sicherheitspolitik und mithin existenzielle Fragen wieder in die Diskurse in der Mitte der Gesellschaft zu bringen, hatte vor zwei Jahren niemand geringeres als Bundespräsident Joachim Gauck gefordert, nachdem sein Vorvorgänger noch ob so eines dann von bestimmter Seite kritisierten Diskursansatzes sein Amt zur Verfügung stellte.
 
25
Die Liste der verloren gegangen Kunden und Bierwettbewerbe wird länger, neben den schon erwähnten Brasilianern haben sich auch Chile, Malaysia und Indien für das französische Produkt entschieden, obwohl es technisch schwächer ist und nicht einmal von der eigenen Marine betrieben wird, die überhaupt keine dieselelektrischen U‑Boote mehr betreibt.
 
26
Man denke im Militärischen z. B. an das seinerzeitige Projekt des Jägers 90. Zivil sieht es nicht besser aus, man vergleiche nur an die kafkaeske Politikkomödie des Hauptstadt-Flughafens, Stuttgart 21 oder die Elbphilharmonie auf Länderebene, von den Desastern der zweiten Reihe wie dem World Conference Center (WCCB) in Bonn, Verkaufsversuchen beim Flughafen Hahn und ähnlichen Provinzpossen einmal abgesehen. Auch die plötzliche Energiewende wird in der EU nicht gerade als Ausdruck überlegten Handelns gewertet. Solche Dinge werden inzwischen im Ausland als neudeutsches Spezifikum verstärkt wahrgenommen und prägen einen neuartigen Ruf des Landes.
 
27
Für einen grundlegenden Einstieg dazu empfiehlt sich der Beitrag von Heiko Borchert und Ralph Thiele (2014).
 
28
Keineswegs beschränkt auf das Militärische, man sehe nur das Beispiel der Fusion von Hoechst mit seinem französischen Partner zur Aventis und dann zur Sanofi und dem de facto-Untergang von Hoechst innerhalb weniger Jahre danach.
 
29
Genauso auch die Forderung von H. D. Joop (2015) unter Verweis auf die von ihm zitierte Empfehlung des Wissenschaftlichen Dienstes des deutschen Bundestages WD2-3000-049/15 vom März 2015, in der eine nationale deutsche Sicherheitsstrategie für erforderlich erklärt wird, „weil bisher kein strategisches, unter Führung des Bundeskanzleramtes entwickeltes und ressortübergreifend abgestimmtes Grundlagendokument existiert“.
 
Literatur
Zurück zum Zitat Borchert, H., & Thiele, R. (2014). Rüstungsindustrie im Umbruch: Schrumpfende Heimmärkte und aggressive Schwellenländer erfordern rüstungspolitischen Gestaltungswillen. Zeitschrift für Außen- und Sicherheitspolitik, 7(3), 365–387.CrossRef Borchert, H., & Thiele, R. (2014). Rüstungsindustrie im Umbruch: Schrumpfende Heimmärkte und aggressive Schwellenländer erfordern rüstungspolitischen Gestaltungswillen. Zeitschrift für Außen- und Sicherheitspolitik, 7(3), 365–387.CrossRef
Zurück zum Zitat Borchert, H. (2016). Le Mannschaft. Griephan-Brief, 52(21), 5–6. Borchert, H. (2016). Le Mannschaft. Griephan-Brief, 52(21), 5–6.
Zurück zum Zitat Beise, M., Bialdiga, K., & Schäfer, U. (2014, 22. Nov.). „Wir haben lange auf der Intensivstation gelegen“. Süddeutsche Zeitung, S. 9. Beise, M., Bialdiga, K., & Schäfer, U. (2014, 22. Nov.). „Wir haben lange auf der Intensivstation gelegen“. Süddeutsche Zeitung, S. 9.
Zurück zum Zitat Die Bundesregierung. (2016). Weißbuch zur Sicherheitspolitik und zur Zukunft der Bundeswehr. Berlin: Die Bundesregierung. Die Bundesregierung. (2016). Weißbuch zur Sicherheitspolitik und zur Zukunft der Bundeswehr. Berlin: Die Bundesregierung.
Zurück zum Zitat Geis, A. (2005). Die Zivilmacht Deutschland und die Enttabuisierung des Militärischen. HFSK Standpunkte, (2). Geis, A. (2005). Die Zivilmacht Deutschland und die Enttabuisierung des Militärischen. HFSK Standpunkte, (2).
Zurück zum Zitat Griephan. (2016, 6. Juni). Griephan-Briefe: wöchentliche Informationen zum Geschäftsfeld äußere und innere Sicherheit. Griephan-Brief, 52(23), 1–2. Griephan. (2016, 6. Juni). Griephan-Briefe: wöchentliche Informationen zum Geschäftsfeld äußere und innere Sicherheit. Griephan-Brief, 52(23), 1–2.
Zurück zum Zitat Joop, H. D. (2015). Ceterum censeo. Marine Forum, (5), 1. Joop, H. D. (2015). Ceterum censeo. Marine Forum, (5), 1.
Zurück zum Zitat Maull, H. W. (2007). Deutschland als Zivilmacht. In S. Schmidt, W. Link, & R. Wolf (Hrsg.), Handbuch zur deutschen Außenpolitik (S. 73–84). Wiesbaden: Springer VS.CrossRef Maull, H. W. (2007). Deutschland als Zivilmacht. In S. Schmidt, W. Link, & R. Wolf (Hrsg.), Handbuch zur deutschen Außenpolitik (S. 73–84). Wiesbaden: Springer VS.CrossRef
Zurück zum Zitat Moniz-Bandara, L. A. (2013). Wachstumsmarkt Brasilien. Der deutsche Handelsbeitrag in Geschichte und Gegenwart (2. Aufl.). Berlin: Springer Gabler.CrossRef Moniz-Bandara, L. A. (2013). Wachstumsmarkt Brasilien. Der deutsche Handelsbeitrag in Geschichte und Gegenwart (2. Aufl.). Berlin: Springer Gabler.CrossRef
Zurück zum Zitat Ohff, H. J. (2016). Kampf um Multimilliarden-Dollar-Vertrag und Nationalstolz. Marineforum, (4), 12–15. Ohff, H. J. (2016). Kampf um Multimilliarden-Dollar-Vertrag und Nationalstolz. Marineforum, (4), 12–15.
Zurück zum Zitat Ohff, H. J. (2017). Australiens zukünftiges U‑Boot: Eine Klasse für sich. Marineforum, (4), 32–33. Ohff, H. J. (2017). Australiens zukünftiges U‑Boot: Eine Klasse für sich. Marineforum, (4), 32–33.
Zurück zum Zitat Yule, P., & Woolner, D. (2008). The collins class submarine story. Steel, spies and spin. Cambridge: Cambridge University Press.CrossRef Yule, P., & Woolner, D. (2008). The collins class submarine story. Steel, spies and spin. Cambridge: Cambridge University Press.CrossRef
Metadaten
Titel
Tauchfahrt im Pazifik. Deutschlands Scheitern im australischen U‑Boot-Poker und die Grenzen der deutschen Rüstungspolitik
verfasst von
Dr. Joachim Weber
Publikationsdatum
06.11.2017
Verlag
Springer Fachmedien Wiesbaden
Erschienen in
Zeitschrift für Außen- und Sicherheitspolitik / Ausgabe 4/2017
Print ISSN: 1866-2188
Elektronische ISSN: 1866-2196
DOI
https://doi.org/10.1007/s12399-017-0668-3

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