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Open Access 08.05.2024 | Abhandlung

Reiner Konflikt und reine Konkurrenz. Simmels Bestimmung des Streits und die Systemtheorie

verfasst von: Karlson Preuß

Erschienen in: Berliner Journal für Soziologie

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Zusammenfassung

Simmel untersucht im Streitkapitel seiner „großen“ Soziologie zwei Sozialformen, Konflikt und Konkurrenz. Der Beitrag zeigt, dass Simmel bei der Bestimmung der Reinmerkmale dieser Formen zwei unterschiedliche Wege einschlägt. Während er den „reinen Konflikt“ sinndimensional bestimmt, nämlich als Sachkonflikt, der nicht durch subjektive Faktoren wie Persönlichkeit, Bestechung usw. verunreinigt wird, begreift er die „reine Konkurrenz“ formenrelational, indem er sie an Konkurrenzbeziehungen festmacht, die nicht von Konflikten überlagert werden. Die zwei Herangehensweisen führen ihn zu einem adäquaten Verständnis der reinen Konkurrenz und einem verfehlten Begriff des reinen Konflikts, was wiederum eine ungleiche Präsenz Simmels in den jeweiligen soziologischen Traditionslinien zur Folge hat. Die zeitgenössische Konkurrenzforschung hat in Simmels Überlegungen zum Streit ein solides Fundament gefunden. Dagegen haben sich Teile der Konfliktforschung von Simmel abgewandt, darunter die systemtheoretische Konfliktsoziologie in der Tradition Luhmanns. Es lassen sich jedoch Verbindungen zwischen den zwei soziologischen Traditionslinien herstellen.
Hinweise

Hinweis des Verlags

Der Verlag bleibt in Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutsadressen neutral.

1 Einleitung

Das Streitkapitel in Georg Simmels „großer“ Soziologie (2018 [1908]) behandelt zwei Sozialformen, Konflikt und Konkurrenz. Die in Simmels Augen bestehende Differenz dieser Formen ist trotz ihrer thematischen Verklammerung in seinem Hauptwerk werkgeschichtlich gut dokumentiert. Die Soziologie der Konkurrenz lag zunächst als eigenständiger Aufsatz vor (Simmel 1995 [1903]), bevor sie mit wenigen Änderungen in das Steitkapitel integriert wurde. Mit der Koppelung der zwei Formen nimmt Simmel eine gewisse begriffliche Unschärfe in Kauf. So changiert seine Streitsoziologie zwischen dem Streit im engeren Sinne, der in der heutigen Theoriesprache eher als „Konflikt“ geläufig ist, und einem breiteren Streitbegriff, der neben dem Konflikt auch die Konkurrenz umfasst und mit „Kampf“ oder „Auseinandersetzung“ präziser beschrieben wäre. Die Unterschiede zwischen Konflikt und Konkurrenz, die in Simmels Sprachgebrauch unterzugehen drohen, wurden inzwischen von Tobias Werron (2010) in systematischer Perspektive offengelegt. Konflikte sind eine direkte Form des Kampfes, während es sich bei Konkurrenzen um eine indirekte Auseinandersetzung um die Gunst eines Dritten handelt (ebd.). Ausgerüstet mit dieser Heuristik lässt sich gut aufschlüsseln, wann Simmel in seinem Hauptwerk von Konflikt und wann er von Konkurrenz spricht.
Die folgenden Überlegungen nehmen die Initiative Werrons in werktheoretischer Absicht auf und zeigen, dass Simmel nicht nur zwei verschiedene Formen der sozialen Auseinandersetzung in seinem Streitkapitel unterbringt, sondern konzeptuell unterschiedliche Wege einschlägt, um die jeweiligen Merkmalstypiken von Konflikt und Konkurrenz zu bestimmen. Als Folge seines breiten empirischen Interesses stößt Simmel immer wieder auf das Problem, dass die Merkmale der Sozialformen je nach Veranschaulichungsfeld mal mehr, mal weniger prägnant in Erscheinung treten. Seine Streitsoziologie reagiert hierauf mit der Fixierung empirischer Idealtypen, d. h. realen Konstellationen reinen Konflikts und reiner Konkurrenz, in denen die formtypischen Merkmale nach Simmels Verständnis ungefiltert und ungebrochen hervorstechen. Wie im Folgenden gezeigt werden soll, bildet Simmel die Begriffe des reinen Konflikts und der reinen Konkurrenz entlang unterschiedlicher theoretischer Leitlinien. Während er den reinen Konflikt sinndimensional bestimmt, nämlich als Sachkonflikt, der nicht durch subjektive Faktoren wie Persönlichkeit, Bestechung usw. verunreinigt wird, begreift er die reine Konkurrenz formenrelational, indem er sie an Konkurrenzbeziehungen festmacht, die nicht durch andere Sozialformen, vor allem den Konflikt, überlagert werden.
Für Simmels Streitsoziologie hat diese Diskrepanz, so die hier verfolgte These, zentrale konzeptuelle und wirkungsgeschichtliche Folgen. Die zwei Herangehensweisen führen ihn zu einem adäquaten Verständnis der reinen Konkurrenz und einem verfehlten Begriff des reinen Konflikts. Während sich der formenrelationale Ansatz bewährt, erweist sich der sinndimensionale als ungeeignet. Hier lässt sich erstens der Grund für den beschriebenen Sachverhalt vermuten, dass Simmel in seiner Streitsoziologie keine klare konzeptuelle Trennung zwischen Konflikt und Konkurrenz gelingt. Zweitens konnte sich die soziologische Konkurrenzforschung Simmels Überlegungen ungleich erfolgreicher zunutze machen als die Konfliktsoziologie. Während Simmels Streitsoziologie der soziologischen Konkurrenzforschung ein solides theoretisches Fundament bereitgestellt hat, findet nur ein Teilbereich der zeitgenössischen Konfliktsoziologie dort zuverlässigen Halt. Ein wichtiger Ansatz wie die systemtheoretische Konfliktforschung in der Tradition Niklas Luhmanns hat dort keine positiven Anknüpfungspunkte gefunden. Im Folgenden soll gezeigt werden, auf welchen Gründen diese Aufsplitterung der Konfliktsoziologie beruht und wie sich die zwei Stränge wieder zusammenführen lassen.1 Damit soll sowohl ein Beitrag zur Simmelforschung als auch zur Theoriegeschichte der Konfliktsoziologie geleistet werden.
Simmels disparate Behandlungsweise von Konflikt und Konkurrenz gerät erst nach einer Aktualisierung der Sozialformenlehre in den Blick. Der erste Teil dieses Aufsatzes ist dieser Weiterentwicklung gewidmet (Abschnitt 2). Auch wenn das primäre Anliegen der folgenden Überlegungen theoriegeschichtlicher Natur ist, steht dabei auch die Frage im Hintergrund, wie sich die Sozialformenlehre für die zeitgenössische soziologische Forschung nutzbar machen lässt. Die Soziologie sozialer Formen, so wie sie Simmel entworfen hat, steht in einem Spannungsverhältnis zur Arbeit der klassischen Bindestrichsoziologien und damit zum Selbstverständnis eines großen Teils der gegenwärtigen Disziplin. Sie interessiert sich primär für die Merkmalstypiken der einzelnen Sozialformen und weniger dafür, wie sich verschiedene Sozialformen in einem bestimmten gesellschaftlichen Bereich wie der Organisation, der Familie, dem Recht, der Religion usw. zueinander verhalten. Demgegenüber haben André Kieserling (2011) und Tobias Werron (2010) Simmels Ansatz in ein Programm überführt, das das kontextspezifische Verhältnis verschiedener Sozialformen thematisiert und die Sozialformenlehre damit zu einer attraktiven Heuristik für die klassischen Bindestrichsoziologien gemacht hat. Wie der dritte Abschnitt, der sich mit Simmels Bestimmungen des reinen Konflikts und der reinen Konkurrenz auseinandersetzt, vor Augen führt, kommt Simmel diesem Programm in seiner Konkurrenzsoziologie näher als bei seiner Behandlung des Konflikts. Der vierte Abschnitt geht schließlich der rezeptionsgeschichtlichen Frage nach der geringen Präsenz Simmels in der sytemtheoretischen Konflikttheorie nach. Dieser Teil skizziert das systemtheoretische Konfliktverständnis und erläutert die Gründe für Luhmanns Nichtberücksichtigung von Simmels Ansatz. Es wird sich zeigen, dass die Entkoppelung von systemtheoretischer und Simmel’scher Konfliktsoziologie nicht so zwingend war, wie Luhmann nahegelegt hat.

2 Die Sozialformenlehre aus Perspektive der klassischen Bindestrichsoziologien

Zu einer Zeit, in der die Soziologie noch um ihre Institutionalisierung kämpfte, verband Simmel mit seiner Lehre der sozialen Formen die Hoffnung, die Soziologie gegenüber den bereits eingesessenen Kultur- und Sozialwissenschaften zu etablieren, ohne die bestehenden Zuständigkeiten und Erkenntnisse Letzterer zu untergraben.2 Die Soziologie zeichnet sich nach Simmels Vorstellung nicht durch die Neuheit ihres Untersuchungsobjektes, sondern ihrer Betrachtungsweise bereits beforschter Gegenstände und Probleme aus: „Die Soziologie […], in ihrer Beziehung zu den bestehenden Wissenschaften, ist eine neue Methode, ein Hilfsmittel der Forschung, um den Erscheinungen aller jener Gebiete auf einem neuen Wege beizukommen.“ (Simmel 2018 [1908], S. 15). Jenen von Simmel als „Inhalte“ gekennzeichneten Erscheinungen, z. B. dem Recht, der Wirtschaft oder der Religion, stelle die Soziologie keinen weiteren Gegenstand an die Seite. Vielmehr nehme sie mit den Formen der Vergesellschaftung einen Aspekt an ihnen ins Visier, der herkömmlicherweise nicht thematisiert werde.
Die Formensoziologie setzt an der Art und Weise an, wie Individuen miteinander in Beziehung treten, und fragt, ob sie sich etwa im Modus der Konkurrenz, der Nachahmung, des Konflikts, der Kooperation oder des Tausches begegnen. Eine soziale Form wie der Tausch ist hierbei keinem bestimmten Bereich der Gesellschaft wie etwa der Wirtschaft zugeordnet. Tauschförmige Beziehungen finden sich nicht nur in der Wirtschaft, sondern auch in Kleingruppen, in Organisationen, in der Familie, Wissenschaft, Politik usw. Unter Form versteht Simmel einen Typus sozialer Beziehungen, der unabhängig vom gesellschaftlichen Ort seines Auftretens formtypische Wirkungen entfaltet (ebd., S. 19 ff.). Diesen Wirkungen spürt Simmel in den einzelnen Kapiteln seiner „großen“ Soziologie nach. So stellt er fest, dass Tauschbeziehungen sowohl im Wirtschaftsleben als auch in Kleingruppen mit wechselseitigen Verpflichtungen einhergehen, Konflikte zwischen sozialen Gruppen die Kohäsionskräfte innerhalb dieser Gruppen steigern, egal ob es sich um Familien, Religionsgemeinschaften oder Staaten handelt, und Konkurrenzen immer und überall einen Dritten voraussetzen, um dessen Gunst konkurriert wird.3
Hierbei strukturieren nicht die „Inhalte“ wie Politik, Religion und Familie das empirische Interesse Simmels, sondern die verschiedenen Formen sozialer Wechselwirkung. Dieser Agenda entspricht eine Vorstellung von Soziologie, die sich entlang der Sozialformen in Konflikt‑, Tausch- und Kooperationsforschung differenziert und nicht etwa in Rechts‑, Religions- und Wirtschaftssoziologie (Kieserling 2011, S. 189). Wie André Kieserling unterstrichen hat, hebt sich Simmel mit dieser Fragerichtung von den Klassikern Max Weber und Émile Durkheim ab, die die Grundbegriffe ihrer Theorien im Einklang mit der gesellschaftlichen Differenzierung in unterschiedliche Felder wie Politik, Religion und Recht und der analogen Gliederung der etablierten Sozialwissenschaften dekomponierten. Weber und Durkheim entwarfen Rechts- und Religionssoziologien, die sich gegenüber der Rechts- und Religionswissenschaft durch eine innovative Bestimmung rechtlicher- und religiöser Handlungen (Weber) bzw. Tatsachen (Durkheim) auszeichnen mussten (ebd., S. 188 f.). Simmel hingegen pflegte keine jener speziellen Soziologien, die sich bereits auf grundbegrifflicher Ebene gegen den Widerstand etablierter Sozialwissenschaften zu wappnen hatten (ebd., S. 187 ff.). Auf dem Formbegriff, so wie er von Simmel eingesetzt wird, lässt sich keine Rechtssoziologie gründen, die sich gegenüber der Rechtswissenschaft verdient zu machen hätte. Vielmehr dient das Konzept einem Forschungsprogramm, das die universellen Wirkungen einer Form wie des Konflikts oder der Konkurrenz in so unterschiedlichen Bereichen wie Sport, Recht, Wissenschaft, Familie und Kirche belegt. Für Simmel birgt dieses Modell einer „bescheidenen Soziologie“ (Tyrell 2011, S. 27 ff.) die Möglichkeit einer friedlichen und kooperativen Koexistenz der Soziologie mit den anderen Sozialwissenschaften. Die Soziologie beschäftigt sich mit den Formen der Vergesellschaftung, während die Inhalte bestehender Wissenschaften unangetastet bleiben.
Angesichts der ungesicherten disziplinären Lage der Soziologie um 1900 ist Simmels Motiv, die Soziologie als eine Wissenschaft zu entwerfen, die ihre Nachbardisziplinen nicht ernsthaft herausfordert, durchaus nachvollziehbar. Doch in ihrer ursprünglichen Version wird die Sozialformenlehre von einigen problematischen Annahmen getragen, die ihre Einbindung in die zeitgenössische soziologische Forschung deutlich erschweren. So stellt Simmels interdisziplinäres Friedensangebot die Arbeit der klassischen Bindestrichsoziologien wie der Rechts‑, Wirtschafts- und Religionssoziologie in Frage (Kieserling 2011, S. 189).4 Aus dem Bedenken heraus, bereits bestehenden Sozialwissenschaften keine Angriffsflanke zu bieten, widmet sich Simmel vollends den inhaltsneutralen Sozialformen, deren allgemeine Charakteristika er in möglichst vielen gesellschaftlichen Bereichen verifiziert. Die Frage hingegen, wie sich die verschiedenen Formen in einem bestimmten gesellschaftlichen Bereich wie dem Recht, der Familie oder einer Organisation zueinander verhalten, wird von Simmel empirisch nicht verfolgt, obwohl sie theoretisch angelegt ist. Kieserling hat stichhaltig rekonstruiert, dass sich Simmels Desinteresse, das wechselseitige Verhältnis der Sozialformen in einem gesellschaftlichen Kontext wie der Religion oder der Politik zu untersuchen, als Vermeidungsstrategie lesen lässt, die Soziologie mit den für diese Kontexte zuständigen Sozialwissenschaften konkurrieren zu lassen. Korrigiert man diese Haltung, die man also dem defensiven Kalkül Simmels zurechnen kann, die Soziologie möglichst reibungslos in der bestehenden Wissenschaftslandschaft anzusiedeln, lässt sich die Sozialformenlehre gegenüber dem Vorwurf in Schutz nehmen, in ihrer isolierten Behandlungsart einzelner Sozialformen letztlich eine „anthropologische Invariantenlehre“ zu betreiben.5 Macht man das Verhältnis verschiedener Formen in einem bestimmten gesellschaftlichen Bereich zum Thema, kann untersucht werden, wie sich verschiedene Formen wie Konkurrenz, Konflikt, Tausch und Kooperation durch gegenseitige Überlagerungen in der Entfaltung ihrer Potenziale wechselseitig hindern, einschränken oder steigern. Das Paradigma der Berührungslosigkeit und Unabhängigkeit der Formen (ebd., S. 183), das die empirischen Studien Simmels trägt, weicht somit einer Forschung, die das kontextspezifische Verhältnis sozialer Formen zum Thema macht.
Verschiedene Untersuchungen haben bereits vorgeführt, wie sich die Sozialformenlehre mit dieser „Umkehr der Fragetechnik“ (ebd., S. 200) für die Forschungsbereiche der klassischen Bindestrichsoziologien nutzbar machen lässt. So haben etwa die Familien‑, Politik‑, Global‑, Wissens‑, Wissenschafts- und Wirtschaftssoziologie maßgeblich von formensoziologisch inspirierten Analyseverfahren profitiert, die einer Einzelform oder dem Verhältnis verschiedener Sozialformen in ihren jeweiligen Forschungsbereichen empirisch nachgegangen sind. Ein instruktives Beispiel für diese Wendung der Simmel’schen Fragerichtung lässt sich bereits bei Karl Mannheim finden, der in seinem berühmten Vortrag „Die Bedeutung der Konkurrenz im Gebiet des Geistigen“ einen formensoziologischen Weg eingeschlägt und die Konkurrenz als eine von allem ökonomischen Beiwerk befreite „allgemeine soziale Beziehung“ beschreibt (1929, S. 43), deren Wirkungen er anders als Simmel nicht ubiquitär, sondern im Feld der Geisteswissenschaft nachverfolgt. Heuristisch nicht unähnlich hat Hartmann Tyrell auf das „Konfliktdefizit der Familiensoziologie“ hingewiesen und aufgezeigt, dass diese von formensoziologischen Analysen partnerschaftlicher Konfliktbeziehungen wesentliche Impulse gewinnen kann (2008).
Das soziologische Interesse daran, wie sich verschiedene Sozialformen kontextspezifisch zueinander verhalten, wurde indes erst in jüngerer Zeit expliziert. André Kieserling und Tobias Werron haben zeitgleich das Programm einer kontextsensiblen Sozialformenanalytik vorgestellt und an einer Fülle empirischen Materials veranschaulicht.6 So hat Kieserling im Anschluss an Bourdieu die Implikationen des formentheoretischen Befundes beleuchtet, dass sich die Konkurrenzbeziehungen zwischen Wirtschaftsunternehmen und jener zwischen Wissenschaftlern dadurch unterscheiden, dass Letztere im Gegensatz zu Ersteren auch miteinander „tauschen“ müssen, indem sie sich ihre wissenschaftlichen Leistungen durch Anerkennung vergelten lassen (2010a, S. 268 ff.). Ebenso hat er die Verfahrenstheorie Luhmanns aus formensoziologischer Perspektive rekonstruiert und die Gerichtsinteraktion als „Formenkombinat“ von Konflikt und Kooperation beschrieben. Kläger und Angeklagter haben es bei dem Richter gleichzeitig mit einem potenziellen Gegner und einem möglichen Kooperationspartner zu tun und werden in der Gerichtsinteraktion auf diese Weise dazu motiviert, die Offenheit des Prozessausganges darzustellen, was ihnen auch bei einer Niederlage gestattet, das Gesicht zu wahren (2010b, S. 120 ff.). Werron wiederum hat am Beispiel so verschiedener Konfliktsituationen wie der Wahlkampfdebatte, dem Nahostkonflikt und dem Expertenstreit illustriert, wie sich Konflikt- und Konkurrenzbeziehungen wechselseitig instrumentalisieren, kolonialisieren und potenzieren können (2010, S. 312 ff.). Hierauf aufbauend hat er zusammen mit Teresa Koloma Beck aus globalsoziologischer Perspektive die Verschränkung von Konflikt und Konkurrenz in gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Staaten zum Thema gemacht (2018). Diese und andere Analysen illustrieren, wie sich an den von Simmel nur sekundär anvisierten „Inhalten“ ansetzen lässt, um von dort aus das Zusammenspiel und die Verschränkung verschiedener Sozialformen zu behandeln.
Untersuchungen dieser Art nehmen die Wirkungen in den Blick, die spezifische Konstellationen verschiedener Sozialformen in einem bestimmten gesellschaftlichen Kontext entfalten. Damit schließen sie an die von Simmel praktizierte Spielart der Formensoziologie an, bleiben jedoch nicht bei ihr stehen. Ihr Vorgehen erfordert zunächst, wie von Simmel intendiert, eine Besinnung auf die Wirkungen der Einzelformen. Das Interesse am Zusammenspiel der Sozialformen schließt die isolierende Bestimmung der Merkmale der Einzelformen nicht aus, im Gegenteil. Befasst man sich mit den empirischen Konsequenzen einer Überlagerung verschiedener Sozialformen, so müssen die reinen Merkmalstypiken der Einzelformen bekannt sein. Der Blick richtet sich also zunächst auf die Manifestation der Einzelformen, insofern sie nicht von anderen Formen überlagert werden. Werron etwa stellt zuerst die Frage nach den Merkmalen des reinen Konflikts und der reinen Konkurrenz, bevor er die Verschränkung der zwei Formen in der Wahlkampfdebatte und im Nahostkonflikt untersucht (2010, S. 304 ff.). Man kann von Simmels Fragetechnik profitieren, wenn man sie nicht mit den Aufgaben der Soziologie per se identifiziert,7 sondern als ersten Schritt einer kontextsensiblen Sozialformenanalyse in Anspruch nimmt. Daher ist auch Simmels Beschäftigung mit den reinen Merkmalstypiken der Sozialformen nach wie vor für die aktuelle Forschung von Relevanz.
Diese Vorbemerkungen sind nötig, um Simmels unterschiedliche Behandlung der reinen Konkurrenz und des reinen Konflikts in seiner Streitsoziologie nachvollziehen zu können. Simmel hat, wie gezeigt, kein Forschungsprogramm entwickelt, das die Überlagerungen der Sozialformen kontextspezifisch in den Blick nimmt. Der Sozialformenlehre ist damit, wie Kieserling unterstrichen hat, ein wichtiges Thema abhandengekommen (2011, S. 193). Doch das Desinteresse am Verhältnis der Sozialformen hat auch nachteilige Konsequenzen für die von Simmel praktizierte Variante der Sozialformenlehre. Wie im Folgenden gezeigt werden soll, lässt sich auch kein klarer Blick auf das Wirken einer Einzelform einnehmen, wenn das Verhältnis zu anderen Sozialformen ausgeblendet wird. In Simmels Streitsoziologie offenbart sich dies in aller Deutlichkeit. So entwickelt Simmel ein griffiges Konzept der reinen Konkurrenz, eben weil seine Konkurrenzsoziologie Ansatzpunkte einer formenrelationalen Perspektive aufweist. Gleichzeitig verstellt er sich den Blick auf die Natur reiner Konfliktbeziehungen, da er hier einen alternativen konzeptuellen Weg einschlägt.

3 Reine Konkurrenz und reiner Konflikt bei Simmel

Simmels Kapitel zum Streit genießt in der soziologischen Konflikt- und Konkurrenzforschung Klassikerstatus. Doch während das Werk Simmels in der Konkurrenzsoziologie omnipräsent ist, gilt dasselbe nur für einen Teilbereich der Konfliktsoziologie. Ein wichtiger Grund hierfür lässt sich, wie nun gezeigt werden soll, im Streitkapitel von Simmels „großer“ Soziologie ausmachen. Oberflächlich betrachtet geht Simmel bei der Charakterisierung des Konflikts und der Konkurrenz identisch vor. Aus dem reichhaltigen soziologischen, historischen und literarischen Material, mit dem er die zwei Kampfformen veranschaulicht, destilliert er empirische Idealtypen, die das Wesen von Konflikt und Konkurrenz in seiner Sicht besonders plastisch zum Ausdruck bringen. Ein genauer Blick zeigt jedoch, dass er hierbei auf zwei verschiedene Abstraktionsverfahren zurückgreift und den reinen Konflikt auf ungenügende Art und Weise bestimmt. Diese Defizite offenbaren sich beim Vergleich mit seiner gelungenen Charakterisierung der reinen Konkurrenz.

3.1 Reine Konkurrenz

Simmel begreift die Konkurrenz als eine soziale Beziehung, die an den verschiedensten Orten der Gesellschaft auftritt. Liebhaber konkurrieren um die Liebe einer Frau, Adelshäuser um Macht in einem Königreich, Kaufleute um das Geld ihrer Kunden, Wissenschaftler um die Entdeckung von Erkenntnissen, Konfessionen um das Vertrauen der Gläubigen, Parteien um die Stimmen der Wähler usw. Trotz ihrer differierenden „Inhalte“ weisen all diese Konkurrenzverhältnisse Simmel zufolge eine ähnliche Merkmalstypik auf. Nun existieren laut Simmel allerdings einige empirische Fälle, in denen sich das Wesen der Konkurrenz auf besonders deutliche Art und Weise zu erkennen gebe. Konkurrenzbeziehungen lägen dann in Reinform vor, wenn sich die konkurrierenden Parteien nicht auf direktem Wege bekämpfen:
Der Wettläufer, der nur durch seine Schnelligkeit, der Kaufmann, der nur durch den Preis seiner Ware, der Proselytenmacher, der nur durch die innere Überzeugungskraft seiner Lehre wirken will, exemplifizieren diese merkwürdige Art des Kampfes, die an Heftigkeit und leidenschaftlichem Aufgebot aller Kräfte jeder andern gleichkommt, zu dieser äußersten Leistung auch nur durch das wechselwirkende Bewußtsein von der Leistung des Gegners gesteigert wird, und doch, äußerlich angesehen, so verfährt, als ob kein Gegner, sondern nur das Ziel auf der Welt wäre. (Simmel 2018 [1908], S. 324)
In den von Simmel genannten Fällen besteht keine direkte Interaktion zwischen den konkurrierenden Parteien. Konkurrenzbeziehungen, im Zuge derer sich die Kontrahenten auch auf direkte Art und Weise schädigen – man denke an den Missionar, der konkurrierende Religionen offen attackiert, oder den Liebhaber, der seinen Nebenbuhler angreift – verdienen Simmel zufolge nicht das Prädikat der „echte[n] Konkurrenz“ (ebd., S. 324). Entsprechend dienen ihm ausschließlich jene Fälle von Konkurrenzbeziehungen, in denen die Auseinandersetzungen gänzlich ohne Direktkontakt ausgetragen werden, als Quelle seiner theoretischen Bestimmung der reinen Konkurrenz:
Für das soziologische Wesen der Konkurrenz ist es zunächst bestimmend, daß der Kampf ein indirekter ist. Wer den Gegner unmittelbar beschädigt oder aus dem Wege räumt, konkurriert nicht mehr mit ihm. […] Die reine Form des Konkurrenzkampfes ist vor allem nicht Offensive und Defensive – deshalb nicht, weil der Kampfpreis sich nicht in der Hand eines der Gegner befindet. Wer mit einem andern kämpft, um ihm sein Geld oder sein Weib oder seinen Ruhm abzugewinnen, verfährt in ganz andern Formen, mit einer ganz andern Technik, als wenn er mit einem andern darum konkurriert, wer das Geld des Publikums in seine Tasche leiten, wer die Gunst einer Frau gewinnen, wer durch Taten oder Worte sich den größeren Namen machen solle. (ebd., S. 323)
Reine Konkurrenzbeziehungen zeichnen sich laut Simmel durch die Abwesenheit von Formen der Auseinandersetzung aus, die sich eindeutig als Konflikt kennzeichnen lassen. Hiermit macht Simmel ausnahmsweise das wechselseitige Verhältnis der Sozialformen zum Thema und bietet damit eine Ansatzstelle für das oben anvisierte Programm einer kontextsensiblen Sozialformenlehre. Diese Perspektivenverschiebung ist nicht unbemerkt geblieben. Werron (2010, S. 305) attestiert Simmel, an dieser Stelle „schärfer als üblich“ vorzugehen, und Kieserling (2011, S. 201) sieht in Simmels Begriff der reiner Konkurrenz „unsystematische Anregungen“, um der Frage nach der Differenzierung der Sozialformen nachzugehen. Simmel arbeitet einen konzeptuell griffigen Begriff der Konkurrenz schlechthin aus, indem er ihn empirisch an sozialen Auseinandersetzungen belegt, die nicht durch Konfliktbeziehungen überlagert werden. Zwar verharrt seine Konkurrenzempirie in dem beschriebenen „Atomismus der Einzelformen“ (ebd., S. 196), da er nicht auf systematischem Wege Konstellationen untersucht, in denen Konkurrenzbeziehungen durch die Formen des Konflikts, der Kooperation, des Tausches, etc. überlagert werden. Doch bildet er immerhin den Begriff der reinen Konkurrenz im Bewusstsein um diese problematische Beziehung zum Konflikt.
Diese konzeptuell scharfe Herangehensweise verschafft Simmel eine klare Perspektive auf die wesentlichen Merkmale der Konkurrenz. Sie lässt ihn insbesondere die konstitutive Bedeutung, die Dritte in Konkurrenzbeziehungen einnehmen, erkennen. Simmel identifiziert einen Wesenskern der Konkurrenz, nämlich ihre „triadische Form“ (Werron 2018, S. 316), die im Gegensatz zur Konfliktbeziehung einen Dritten voraussetzt, der von den Kontrahenten umworben wird.8 Wie Simmel unterstreicht, ist dem Konkurrenzkampf mit dieser Konstellation eine Zielrichtung vorgegeben, die erstaunliche soziale Kongruenzen zwischen Konkurrenten und Umworbenen hervorruft. Die Konkurrenz
zwingt den Bewerber, der einen Mitbewerber neben sich hat und häufig erst hierdurch eigentlicher Bewerber wird, dem Umworbenen entgegen- und nahezukommen, sich ihm zu verbinden, seine Schwächen und Stärken zu erkunden und sich ihnen anzupassen, alle Brücken aufzusuchen oder zu schlagen, die das eigne Sein und Leisten mit jenem verbinden könnten. […] Ihr gelingt, was sonst nur der Liebe gelingt: das Ausspähen der innersten Wünsche eines Andern, bevor sie ihm noch selbst bewußt geworden sind. (Simmel 2018 [1908], S. 327)
Die projizierten Wünsche und Interessen des umworbenen Dritten bilden die wesentliche Triebfeder der Konkurrenz, was laut Simmel einen Gemeinsinn zwischen den jeweiligen Konkurrenten und dem Adressaten der Konkurrenz stiftet. Die „ungeheure vergesellschaftende Wirkung“, die Simmel der Konkurrenz attestiert – Simmel redet in diesem Kontext von der „soziologischen“ Förderung der Konkurrenz (ebd.) –, liegt in ihrer triadischen Struktur begründet. Simmel hat hiermit das wesentliche Strukturmerkmal der Konkurrenz und die in ihr wurzelnden sozialen Kohäsionskräfte erkannt.
Aus diesem Grund stellt Simmel in der wiederbelebten soziologischen Konkurrenzforschung einen konstanten Bezugspunkt dar.9 Zentrale Merkmale der Konkurrenz sind in Simmels „großer“ Soziologie erfasst, die einen sicheren Orientierungspunkt für Autoren bildet, die Simmels frühsoziologische Beschreibungen der Konkurrenz verfeinern, weiterentwickeln und für die empirische Forschung aufbereiten. So hat Werron aus konstruktivistischer Perspektive an Simmels Überlegungen zur Konkurrenz angeschlossen und diese in ein „soziologisches Modell der Konkurrenz“ übersetzt, das „die Bedingungen der sozialen Konstruktion der Konkurrenz“ zum Thema macht (2011, S. 231). Er hat mit kommunikationstheoretischen Mitteln die sozialen Voraussetzungen und Konstruktionsleistungen, die nötig sind, um Konkurrenzbeziehungen zu stabilisieren, näher beleuchtet, etwa die Rolle des Publikums als „Taktgeber“ der Konkurrenz (ebd., S. 258), sowie die Bedeutung von Darstellungsformen wie Ranglisten unterstrichen, die Leistungsvergleiche zwischen konkurrierenden Parteien überhaupt erst möglich machen (2010, S. 311). Werron hat damit eine konstruktivistische Heuristik zur Untersuchung von Konkurrenzbeziehungen ausgearbeitet, die nicht gegen Simmel formuliert ist, sondern dem Kerngedanken seiner Konkurrenzsoziologie treu bleibt.10 In der Konkurrenzsoziologie wird Simmel als Klassiker gesehen, mit dem sich nach wie vor arbeiten lässt.

3.2 Reiner Konflikt

Die konzeptuelle Schärfe, mit der Simmel die reine Konkurrenz bestimmt, offenbart sich im Vergleich mit seinen Ausführungen zum reinen Konflikt. Hier gelingt ihm keine vergleichbar adäquate Begriffsbestimmung. Während soziologische Kommentatoren die Klarheit, mit der Simmel die Form der Konkurrenz analysiert, bemerkt haben, sind die Defizite seiner Behandlung des Konflikts bislang noch nicht systematisch beleuchtet worden. Wie nun gezeigt werden soll, sind sie darin zu suchen, dass Simmel den reinen Konflikt im Gegensatz zur reinen Konkurrenz nicht formenrelational, d. h. über die Unabhängigkeit des Konflikts von anderen Sozialformen, sondern sinndimensional bestimmt. Hier liegen die Gründe dafür, dass Simmel die Dynamik reiner Konfliktbeziehungen begrifflich nicht zu fassen bekommt, weshalb, wie im Anschluss gezeigt werden soll, die systemtheoretische Konfliktsoziologie nicht auf Simmels Konfliktbegriff aufbauen konnte.
Entgegen dem Alltagsverständnis behandelt Simmel den Konflikt als eine Form der Vergesellschaftung, die anderen, positiv besetzten Formen wie Tausch, Kooperation und Liebe soziologisch gleichgeordnet ist und diesen auch in ihrer integrativen Funktion für das soziale Leben nicht nachsteht (Simmel 2018 [1908], S. 284 ff.). So hebt er die „synthetische Kraft gemeinsamer Gegnerschaft“ hervor und verteidigt gegenüber landläufigen Meinungen die identitätsstiftenden Momente sozialer Konflikte und ihren Anteil an gesellschaftlicher Ordnungsbildung (ebd., S. 365). Die funktionalistische Konflikttheorie Lewis Cosers (1956), die die sozialisierenden und ordnungsbildenden Aspekte des Konflikts ins Zentrum rückt, konnte an dieses Konzept nahtlos anknüpfen und tritt schon äußerlich als Kommentar der Streitsoziologie Simmels in Erscheinung.11 Dieser Strang der soziologischen Konflikttheorie buchstabiert Simmels Gedanken aus, dass Konflikte eine produktive Rolle für das Problem sozialer Integration spielen.
In anderen Zweigen der soziologischen Konfliktforschung nimmt die Streitsoziologie Simmels dagegen keine prominente Rolle ein. Das gilt nicht zuletzt für die systemtheoretische Konfliktsoziologie, die vor allem die Prozessdynamik des Konflikts und dessen Tendenz zur Generalisierung und zur Eskalation in den Vordergrund stellt. Niklas Luhmann hat den Grundstein dieses Konfliktmodells gelegt, und Heinz Messmer hat es zu einem Prozessstufenmodell ausgebaut (Luhmann 1984, S. 488 ff., 1999; Messmer 2003a). Dieses Modell fasst den Konflikt als kommunizierten Widerspruch, bei dem sich die Konfliktparteien an der Unvereinbarkeit ihrer Sinnperspektiven abarbeiten, was zu einer graduellen Verhärtung der Konfliktfront und zu einer Ausweitung des Konflikts in sachlicher, sozialer und zeitlicher Hinsicht führt. In diesem Strang soziologischer Konfliktforschung firmiert das Werk Simmels als Klassiker und Vorläufer, das für das Verständnis von Konfliktprozessen nicht weiter hilfreich ist. Wirft man einen genauen Blick auf Simmels Konflikttheorie, insbesondere seine Bestimmung des reinen Konflikts, zeigt sich, warum Luhmann dort keine Anknüpfungspunkte gesehen hat.
Doch bevor wir uns Simmel zuwenden, sei daran erinnert, wie eigentlich vorgegangen werden müsste, um das Wesen des reinen Konflikts zu bestimmen. Eine der Bestimmung der reinen Konkurrenz analoge Vorgehensweise ließe erwarten, dass Simmel die konflikteinhegenden und -steigernden Wirkungen, die von anderen Sozialformen ausgehen können, im Blick behält. Ein zwischen Bäcker und Kunden geführtes Streitgespräch über die Brotpreise wird womöglich von dem Risiko eines Abbruchs der Tauschbeziehungen gedämpft. Ebenso kann ein Streit unter Kollegen von der Aussicht, noch ein gemeinsames Projekt auf den Weg bringen, also kooperieren zu müssen, abgefedert werden. Konflikte zwischen konkurrierenden Politikern werden häufig von der Sorge reguliert, sich in den Augen der Wählerschaft, um deren Gunst sie konkurrieren, zu disqualifizieren, wenn sie zu viel (oder zu wenig) Streitlust an den Tag legen. Am reinen Konflikt muss der konflikthemmende und -steigernde Einfluss anderer Sozialformen herausgerechnet werden.
Simmel hat ein grundsätzlich anderes Verständnis des reinen Konflikts, das eine problematische Konsequenz seines Desinteresses an den Beziehungen zwischen den Sozialformen zu erkennen gibt. Im Gegensatz zu seiner Bestimmung der reinen Konkurrenz greift er hier auf ein anderes Abstraktionsverfahren zurück. Simmel entwickelt den Begriff des reinen Konflikts nicht über dessen Verhältnis zu anderen Sozialformen, sondern über das Verhältnis von Sach- und Sozialdimension.12 Den Konflikt par excellence symbolisiert Simmel zufolge das Kampfspiel, in dem sich die Beteiligten der sachlichen Kampflogik des Spiels überlassen und nicht durch subjektiven Geltungsdrang oder einen Kampfpreis motiviert werden. Der Streit vor Gericht komme dieser „Reinheit des Kampfes nur um des Kampfes willen“ (Simmel 2018 [1908], S. 304) einigermaßen nahe:
Auf die Streitform selbst angesehen […] ist der gerichtliche Streit […] ein absoluter; d. h. die beiderseitigen Ansprüche werden mit reiner Sachlichkeit und mit allen zulässigen Mitteln durchgeführt, ohne durch personale oder irgendwie außerhalb gelegene Momente abgelenkt oder gemildert zu sein; der Rechtsstreit ist insofern der Streit schlechthin, als in die ganze Aktion nichts eintritt, was nicht in den Streit als solchen hineingehörte und nicht dem Streitzweck diente. Während sonst selbst in den wildesten Kämpfen noch irgend etwas Subjektives, irgend eine bloß schicksalsmäßige Wendung, ein Eingriff von dritter Seite mindestens möglich ist, wird all solches hier durch die Sachlichkeit ausgeschlossen, mit der eben der Kampf und sonst absolut nichts vor sich geht. (ebd., S. 305 f.)
Die Reinheit eines Konflikts ist laut Simmel dann garantiert, wenn sein Verlauf nicht durch externe Faktoren wie subjektive Interessen, Emotionalität, Persönlichkeit, Bezahlung, Eingriffen von Dritten usw. korrumpiert wird. Der Sachkonflikt, aus dem alles herausgehalten wird, was der Entfaltung des Konfliktthemas eine unnatürliche Beugung geben könnte, erscheint Simmel somit als Inbegriff des reinen Konflikts. Simmel leitet die Reinform des Konflikts über die Unabhängigkeit der Sach- von der Sozialdimension her und findet im Rechtsstreit einen empirischen Beleg dieser Unabhängigkeit.
Konflikte gestalten sich Simmel zufolge umso intensiver, je besser die Trennung von Streitsache und Persönlichkeit gelingt. Das „Äußerste und Unbedingte des Kampfes“ trete vor allem dort zutage, „wo das Streitinteresse und damit der Streit selbst gegen die Persönlichkeit selbst differenziert ist“ (ebd., S. 307). Sachkonflikte entwickeln in dieser Sicht „einen Radikalismus und eine Schonungslosigkeit“ (ebd., S. 308), der in anderen Konflikten nicht zu beobachten sei. Außer am Gerichtsstreit macht Simmel den reinen Konflikt auch am Wissenschaftsstreit fest, in dem die Kombattanten ebenfalls ausschließlich der Streitsache, in jedem Fall der Ergründung einer wissenschaftlichen Wahrheit, verpflichtet seien und von allen persönlichen Rücksichten absähen (ebd.). Die Einbeziehung der Persönlichkeit, die, wie etwa die Systemtheorie nahelegt, ein charakteristisches Merkmal von Konflikten ist, eignet laut Simmel nur Auseinandersetzungen, in denen sich die Konfliktgegner von der eigentlichen Konfliktsache ablenken lassen.
Mit dem Gerichts- und Wissenschaftsstreit bestimmt Simmel ausgerechnet zwei soziale Phänomene als reine Konflikte, die, wie oben beschrieben, in der weiterentwickelten Variante der Sozialformenlehre als empirische Beispiele für die Überlappung verschiedener Sozialformen und für die Einhegung des Konflikts durch andere Formen angeführt werden. Simmel übersieht, was Kieserling in seiner formentheoretischen Reformulierung der Verfahrenstheorie Luhmanns auf den Punkt bringt, dass gerade im Streit vor Gericht einige konflikttypische Momente typischerweise nicht zum Tragen kommen, da die Konfliktdynamik dort von anderen Sozialbeziehungen überlagert wird (Kieserling 2010b, S. 121). So wird jeder Rechtsstreit tendenziell durch Kooperations- und Konkurrenzbeziehungen beeinflusst, schon weil immer relevante Dritte anwesend sind. Der Konflikt zwischen Angeklagtem und Richter wird einerseits dadurch entschärft, dass der Richter potenziell einen Kooperationspartner darstellt, der im Urteil auch gegen den Kläger entscheiden kann (ebd.). Gleichzeitig wird der Konflikt zwischen Kläger und Angeklagtem dadurch gezügelt, dass beide um die Gunst des Richters konkurrieren und daher, im Gegensatz zum publikumslosen Streit, dazu angehalten sind, die Fassung zu bewahren.13 Analog hierzu werden Wissenschaftskonflikte durch Konkurrenz- und Tauschbeziehungen gezügelt. Sie werden in der Regel vor der Fachöffentlichkeit ausgetragen und zwingen die Kontrahenten dazu, die gängigen Regeln akademischer Diskussion einzuhalten. Gleichzeitig versuchen Wissenschaftler normalerweise, auch von ihren Gegnern Anerkennung der eigenen wissenschaftlichen Leistung zu erhalten, d. h. eine tauschförmige Beziehung zu ihnen aufzubauen, was sich ebenfalls hemmend auf die Konfliktbeziehung bzw. auf die Entstehung von Konflikten auswirkt.
Simmels mangelndes Interesse am wechselseitigen Verhältnis der Sozialformen verspielt nicht nur ein wichtiges Thema der Formensoziologie, sondern verstellt außerdem den Blick auf das reine Wirken einer Einzelform. Simmels defizitäre Bestimmung des Konflikts zeigt, dass die Sozialformenlehre selbst in der atomistischen Behandlungsart einer Einzelform unter dem fehlenden Sinn für die wechselseitigen Beziehungen und Überlappungen der Sozialformen leidet. Aus diesem Grund konnte sich innerhalb der soziologischen Konfliktforschung ein Teilbereich konsolidieren, der den Kontakt zur Sozialformenlehre und zum Werk Simmels nahezu vollständig verloren hat, nämlich die systemtheoretische Konfliktsoziologie. Doch lässt sich diese Traditionslinie für die Sozialformenlehre, wie nun gezeigt werden soll, wieder einfangen.

4 Die systemtheoretische Konfliktsoziologie und ihr Verhältnis zu Simmel

Es ist nicht verwunderlich, dass Luhmann, der sich in Legitimation durch Verfahren unter anderem mit der Frage beschäftigt, wie es modernen Gerichtsverfahren gelingt, das für Konflikte typische Eskalationspotenzial einzuhegen, mit einem Konfliktbegriff, der im Gerichtsstreit den Konflikt schlechthin sieht, wenig anfangen konnte (Luhmann 1983 [1969], S. 55 ff). Simmel legt sich, ohne diese Entscheidung zu reflektieren, a priori darauf fest, dass sachliche Auseinandersetzungen, die in Beziehungskonflikte und somit ins Unsachliche umschlagen, nicht das Prädikat des reinen Konflikts verdienen. Für die Rezeptionsgeschichte von Simmels Streitsoziologie war dieses enge Verständnis reiner Konfliktbeziehungen folgenreich. Während sich Konflikttheorien, die in erster Linie auf die identitätsstiftenden und positiven Funktionen von Konflikten abstellen, offen auf Simmel stützen können, kommen Soziologien, die die generalisierenden Züge des Streits unterstreichen, weitestgehend ohne ihn aus. In den konfliktsoziologischen Schriften Luhmanns und Messmers nimmt das Werk Simmels bloß den Status eines Klassikers ein, der für das Verständnis des Konfliktprozesses nicht benötigt wird (Luhmann 1984, S. 532; Messmer 2003a, S. 16 ff.).14 Nicht nur das, auch auf die Tradition der Sozialformenlehre wird in diesem Zweig der Konfliktforschung wenig Wert gelegt. Vergleicht man Simmels Konflikttheorie und -empirie mit derjenigen der Systemtheorie, so wird ersichtlich, wo die zwei Forschungstraditionen voneinander abweichen und wie sie sich wieder zusammenführen lassen.
Die systemtheoretische Konfliktsoziologie stellt, wie schon erwähnt, die Prozessdynamik von Konflikten in den Vordergrund und interessiert sich vornehmlich für Interaktionen. Sie wählt einen kommunikationstheoretischen Zugang – hier muss nicht die entscheidende Differenz zu Simmel gesehen werden – und definiert den Konflikt als kommunizierten Widerspruch. In den Worten Luhmanns: „Ein Konflikt liegt […] vor, wenn Erwartungen kommuniziert werden und das Nichtakzeptieren der Kommunikation rückkommuniziert wird.“ (1984, S. 530) Eine Meinungsverschiedenheit oder ein Interessengegensatz sind noch keine sicheren Erkennungszeichen eines Konflikts. Erst wenn die Unvereinbarkeit zweier Erwartungshaltungen bzw. Sinnperspektiven von den Konfliktparteien selbst kommuniziert wird, handelt es sich um einen Konflikt im systemtheoretischen Sinne (Messmer 2003b, S. 110). Dieses Modell stellt zwei von Simmel übersehene Strukturmerkmale des Konflikts heraus: erstens seine Loslösung vom Streitanlass und zweitens seine Neigung zur Ausweitung und Eskalation.
Luhmann legt nahe, den Konflikt losgelöst von seinem Anlass zu betrachten und grenzt sich damit scharf von jeder Form konfliktsoziologischer Ursachenforschung ab. Nicht die sachliche Ursache des Konflikts, sondern das blanke Faktum des kommunizierten „Nein“ bildet den Dreh- und Angelpunkt jedes Konflikts (Luhmann 1984, S. 530). Das systemtheoretische Konfliktmodell macht geltend, dass nicht der Streitanlass, sondern die von beiden Streitenden registrierte Unvereinbarkeit ihrer Sinnperspektiven im Konflikt die ganze Aufmerksamkeit auf sich zieht: „Der Widerspruch scheint, ähnlich wie der Schmerz, eine Reaktion auf ihn selbst zu erzwingen.“ (ebd., S. 505) Nimmt der Konflikt Fahrt auf, dann entspinnt sich die weitere Kommunikation ausgehend von der Tatsache des Widerspruchs. Die Streitenden sind gezwungen, wie Luhmann formuliert, „auf das Nein als Nein zu reagieren“ (ebd., S. 532). Dabei wird die Ursprungsszene des Konflikts von den Beteiligten häufig schnell reinterpretiert oder ganz vergessen. „Der Konflikt braucht keinen sachlichen Anlaß“, wie Kieserling unterstreicht, „er plausibilisiert sich selbst in dem Maße, in dem er fortgesetzt wird.“ (Kieserling 1999, S. 268)
Auf dieser Widerspruchskommunikation beruht ein zweites wesentliches Merkmal des Konflikts, nämlich seine strukturelle Neigung zur Ausweitung und Eskalation. Konflikte unterliegen einer irrationalen Dynamik, die ihre sachlichen Hintergründe zuweilen bis zur Unkenntlichkeit entstellt. Der für jeden Konflikt konstitutive Widerspruch verselbständigt sich im weiteren Konfliktverlauf (Luhmann 1984, S. 530). Konflikte sind mit Werron als Kommunikationsprozesse zu verstehen, „die Widerspruch und Gegenwiderspruch aneinander anschließen und sich in wechselseitiger Unnachgiebigkeit der Konfliktparteien verhärten“ (Werron 2010, S. 304). Im Konflikt wird jede weitere Kommunikation unter den Gesichtspunkt der für beide Parteien manifesten Unvereinbarkeit ihrer Sinnperspektiven gebracht. Die Zentrierung der Kommunikation um den Widerspruch verursacht die für Konflikte charakteristische Tendenz zur Eskalation: Sie entwickeln einen von den Beteiligten nur schwer kontrollierbaren „Integrationssog“ (Luhmann 1984, S. 532). Sie generalisieren sich in sachlicher, sozialer und zeitlicher Hinsicht, indem sie sich auf neue Themen ausweiten, die Sicht auf Personen ändern und vergangene wie auch zukünftige Ereignisse in ein neues Licht stellen.
Diese Ausweitungs- und Polarisierungsdynamik lässt sich nicht durch den Anlass des ursprünglichen Widerspruchs erklären, der den Konflikt ausgelöst hat. Jeder Konflikt entwickelt eine Eigendynamik, die über die Köpfe der Konfliktparteien hinauswächst und das ursprüngliche Thema des Widerspruchs überformt. Die sich im Konflikt materialisierenden Gegnerschaften und Interessen, die von den Streitenden als Grund des Konflikts angesehen werden, sind oftmals eher dessen Produkt. „Der Konfliktverlauf […] informiert die Parteien häufig erst über ihre Identitäten und Interessen.“ (Werron 2010, S. 305) Sachkonflikte schlagen typischerweise in Identitäts- und Beziehungskonflikte um, im Verlaufe derer die Streitenden ihre Ansichten, Erwartungen und Argumente variieren und selbst eine Transformation durchlaufen.
Die Systemtheorie hat auf diese Weise Eigenschaften, die in Simmels Konfliktsoziologie als Beispiele gehemmter Auseinandersetzungen geführt werden, als Merkmale des Konflikts schlechthin bestimmt. Daher hat Luhmann in Simmels Konfliktbegriff, der die Reinheit des Konflikts an seiner Fokussiertheit auf den Streitzweck und an seiner Differenzierung von sachfremden persönlichen Belangen misst, kein brauchbares Vorbild gesehen. Im Gegenteil: Er bescheinigt der von Simmel über Coser laufenden Traditionslinie der Konflikttheorie, auf der Stelle zur treten, und schlägt einen „Neubeginn“ für die Konfliktsoziologie vor (Luhmann 1984, S. 529).15 Doch es ist fraglich, ob dieser Neubeginn zwingend war. Denn sowohl in empirischer als auch in theoretischer Hinsicht lassen sich Verbindungen zwischen den zwei konfliktsoziologischen Traditionen herstellen.
Jenseits seiner Beschäftigung mit dem Sachkonflikt lässt Simmel nämlich durchaus eine Ahnung dafür erkennen, dass es ein typisches Merkmal von Konflikten ist, sich von ihren Ursachen zu entkoppeln. Er spricht von den „unglaublich kleinlichen, ja läppischen Veranlassungen der ernsthaftesten Kämpfe“ (Simmel 2018 [1908], S. 299) und trägt einige Beispiele für anlasslose Großkonflikte aus verschiedenen Weltregionen zusammen. Seine Schlussfolgerung: „In den menschlichen Gegnerschaften stehen Ursache und Wirkung oft so außer Zusammenhang und vernünftiger Proportion, daß man nicht recht unterschieden kann, ob der angebliche Gegenstand des Streites wirklich dessen Veranlassung oder nur ein Ausläufer schon bestehender Gegnerschaft ist […].“ (ebd., S. 299 f.) Von der systemtheoretischen Beschreibung der prozessualen Eigenständigkeit des Konflikts ist dieses Verständnis nicht weit entfernt. Die besondere Stellung, die Simmel dem Sachkonflikt, bei dem der Grund der Auseinandersetzung ständig in Sichtweite ist, in seiner Theorie zuweist, verbietet es ihm jedoch, die Entkoppelung vom Streitanlass als eigentliches Strukturmerkmal des Konflikts zu beschreiben. Hier scheint mir der tiefere theoretische Grund für einige Anthropologismen zu liegen, in die sich Simmel flüchtet, um diesen Wesenszug des Konflikts erklären zu können, und die die Rezeption seiner Konfliktsoziologie zusätzlich erschwert haben (siehe die Kritik bei Messmer 2003a, S. 27 f.). So beruft sich Simmel auf einen „abstrakten Oppositionstrieb“ und einen „apriorischen Kampfinstinkt“ (2018 [1908], S. 299), der für die häufig beobachtbare Neigung des Konflikts, sich vom ursprünglichen Streitanlass zu entfernen, verantwortlich sei. Diese zeittypischen Erklärungsversuche schmälern jedoch nicht den Umstand, dass Simmel die sachfremd-irrationale Eigendynamik von Konflikten durchaus wahrnimmt.
Ebenso beweist Simmel einen Sinn für die Tatsache, dass sich Sach- und Sozialdimension in Konfliktbeziehungen nicht so leicht trennen lassen wie seine Bestimmung des reinen Konflikts nahelegt. So weist er selbst auf die Transformationen hin, die die Persönlichkeit im Verlaufe von Konflikten erleidet: „Die tägliche Erfahrung zeigt, wie leicht ein Streit zwischen zwei Individuen das einzelne nicht nur in seiner Beziehung zum andern, sondern auch in sich selbst verändert; und zwar […] durch die Vorbedingungen, die er stellt, die inneren Änderungen und Anpassungen, die er wegen ihrer Zweckmäßigkeit für das Durchfechten des Konflikts züchtet.“ (ebd., S. 350) Und weiter: „Jeder Konflikt, der nicht absolut unpersönlicher Art ist, macht sich die verfügbaren Kräfte des Individuums dienstbar, er wirkt wie ein Kristallisationspunkt, um den herum sich diese in größerer oder geringerer Entfernung anordnen […], und gibt damit dem ganzen Komplex der Persönlichkeit, sobald sie kämpft, eine eigenartige Struktur.“ (ebd., S. 372) Wie später die Systemtheorie trägt Simmel in diesen Passagen der Tatsache Rechnung, dass Konflikte einen „Integrationssog“ aufbauen, der in der Regel auch die Persönlichkeit erfasst.
Messmer, der Simmels Konfliktsoziologie stärker würdigt als Luhmann, stellt in seinem Durchgang durch die Geschichte der Konfliktforschung die heuristischen Potenziale dieser frühsoziologischen Beschreibungen heraus (Messmer 2003a, S. 17 f.). Er übergeht Simmels Überlegungen zum Sachkonflikt und macht jene soeben genannten Beobachtungen seiner Streitsoziologie stark, die bereits in die Richtung der systemtheoretischen Konfliktsoziologie weisen. Mit diesen sei es, so Messmer, Simmel erstens gelungen, den Konflikt unabhängig von den gesellschaftlichen Verhältnissen zu konzipieren, womit er die Konfliktforschung unter anderem von der marxistischen Tradition, deren Interesse für Konflikte sich in erster Linie auf Klassenkonflikte beschränke, emanzipiert habe (ebd., S. 17 f.). Zweitens habe Simmel als erster Soziologe erkannt, dass der Konflikt nicht durch seine Teilnehmer bestimmt wird, sondern eine eigenständige Wirklichkeit darstellt, die die an dem Konflikt partizipierenden Akteure „wie ein Gravitationsfeld“ konditioniert (ebd., S. 44). Als „Kern der Simmelschen Konflikttheorie“ bestimmt er die „Vorstellung einer eigenständigen, von gesellschaftlichen und personalen Ursachenqualitäten unabhängigen Konfliktwirklichkeit“ (ebd., S. 18). Simmel hat in den Augen Messmers viele Aspekte identifiziert, die das systemtheoretische Prozessmodell des Konflikts dann vor allem in Abgrenzung zu anderen, zum Beispiel marxistischen Konfliktsoziologien ausgearbeitet hat. Trotzdem kommt Simmel auch bei Messmer nicht über den Status eines Klassikers der Konfliktforschung hinaus. Es ist fraglich, ob der „Paradigmenwechsel in der Konflikttheorie“ (ebd., S. 44), den Messmer im Einklag mit Luhmann ausruft, vor dem Hintergrund solcher Gemeinsamkeiten plausibel ist.
Doch schwerer als Luhmanns und Messmers fehlende bzw. inkonsequente Würdigung der positiven Elemente von Simmels Konflikttheorie und -empirie wiegt ihr Versäumnis, die Konflikttheorie grundbegrifflich an Simmels Soziologie sozialer Formen rückzubinden. Die Systemtheorie hat das Prozessmodell des Konflikts erarbeitet, ohne die Sozialformenlehre in Anspruch zu nehmen. Dabei steht jede Konfliktsoziologie unweigerlich in der Tradition der Formensoziologie – und ist eindeutig stärker, wenn sie sich dieser Tradition stellt. Begreift man den Konflikt als soziale Form, ist der Schritt zu einer Untersuchung, die dem Verhältnis dieser Form zu anderen Formen nachgeht, nicht mehr weit. Auch wenn Simmel dieses Programm nicht bis in die letzte Konsequenz verfolgt hat, bietet seine Streitsoziologie heuristische Anknüpfungspunkte für solch eine formenrelationale Perspektive. Parallel zu seiner Konkurrenzsoziologie kann insbesondere die Unterscheidung von reinen und unreinen Konfliktbeziehungen auch der heutigen Soziologie als Ausgangspunkt für Untersuchungen dienen, die das Verhältnis der Sozialformen ins Blickfeld rücken.
Reine Konfliktbeziehungen liegen vor, wenn der Konflikt nicht von anderen Formen überlagert wird. Mit ihrer Fokussierung auf die Interaktionsebene und die Prozessdynamik hat die Systemtheorie den reinen Konflikt eindeutig präziser bestimmt als Simmel in seiner Streitsoziologie. Obwohl sie keinen Anschluss an die Tradition der Sozialformenlehre gesucht hat, ist es ihr besser als Simmel selbst gelungen, die Dynamik des reinen Konflikts zu erfassen, d. h. eine Merkmalstypik von Konfliktbeziehungen zu erstellen, die nicht durch Sozialformen wie Kooperation, Tausch, Konkurrenz usw. gebremst oder gesteigert werden. Implizit liegt dem systemtheoretischen Konfliktbegriff die Vorstellung einer strukturellen Unabhängigkeit des Konflikts von anderen Sozialformen zugrunde. Nur wenn der Konflikt gegenüber andersläufigen Formen den strukturellen Primat gewinnt, greifen die beschriebenen Mechanismen zu seiner dynamischen Ausweitung. Dies bedeutet natürlich nicht, dass sich Konflikte nur zwischen Personen generalisieren, die niemals miteinander tauschen, kooperieren oder konkurrieren. Doch stellen sich die konflikttypischen Generalisierungen eben nur ein, wenn sich der Konflikt der Fremdstrukturierung durch andere Sozialformen entzieht. Wenn ein Streit über die Brotpreise beim Lieblingsbäcker eskaliert, dann obwohl es eigentlich den Wunsch auf ein Fortführen der Tauschbeziehungen gibt. Ein Streit zwischen Arbeitskollegen entwickelt sich nur gegen die Aussicht, zukünftig noch miteinander kooperieren zu müssen, zum persönlichen Beziehungsstreit. Ein öffentlicher Streit zwischen Politikern folgt nur dann den Gesetzen des reinen Konflikts, wenn in seinem Verlauf der Gedanke an die umworbene Wählerschaft vollends zurücktritt.
Unreine Konfliktbeziehungen beruhen dagegen auf Formenkombinaten. Die Konfliktdynamik wird gebremst oder gesteigert, wenn sie durch Formen wie Kooperation, Tausch und Konkurrenz überlagert wird. Empirisch gesehen handelt es bei solchen Formenüberlagerungen um den Normalfall. Das Phänomen der Einhegung des Konflikts, dem Luhmann in seiner Rechtssoziologie ja durchaus Beachtung schenkt, lässt sich somit in einem formensoziologischen Vokabular reformulieren. Kieserling und Werron haben bereits gezeigt, dass Phänomene wie der Gerichtskonflikt, der Wissenschaftsstreit und die Wahlkampfdebatte, in denen die Prozessdynamik des Konflikts gebremst wird, als Überschneidung des Konflikts mit den Formen der Konkurrenz bzw. Kooperation beschrieben werden können. Mit Mitteln der Formensoziologie lässt sich systematisch untersuchen, warum sich die eskalative Konfliktdynamik, die die Systemtheorie zu Recht als konflikttypisch beschreibt, in praxi so selten beobachten lässt.

5 Schluss und Ausblick

Simmels formensoziologischer Ansatz ist nie aus der Soziologie verschwunden. Seit jeher werden soziologische Untersuchungen verfasst, die sich mit den empirischen Wirkungen der Sozialformen auseinandersetzen, sei es in der Gesellschaft allgemein oder in einem bestimmten Kontext wie dem Recht, der Organisation oder der Familie. Wer an den Merkmalstypiken von Konflikt, Konkurrenz, Tausch, Kooperation usw. interessiert ist, wird in Simmels „großer“ Soziologie fündig. Simmel hat das Wesen diverser Sozialformen in diesen frühsoziologischen Beobachtungen prägnant auf den Begriff gebracht. Seine Analysen sind, dem unverkennbaren historischen Index zum Trotz, für die heutige soziologische Forschung nach wie vor relevant. Doch macht er es dieser, wie an den Beispielen seiner Konkurrenz- und Konfliktsoziologie gezeigt wurde, nicht immer gleichermaßen einfach, mit seiner Theorie weiterzuarbeiten.
So zeigt, wie gesehen, das von der Systemtheorie erarbeitete Prozessmodell des Konflikts wenig Interesse an Simmel und der Sozialformenlehre. Oberflächlich gesehen könnte der Verdacht geäußert werden, dass dieses Desinteresse mit den kommunikationstheoretischen Grundlagen der (späteren) Systemtheorie zusammenhängt. Schließlich erstreckt sich Simmels Streitsoziologie nicht nur auf kommunizierte Auseinandersetzungen, sondern ebenso auf nichtkommunikative Fälle wie den sportlichen Wettkampf. Doch wie die jüngere Konkurrenzsoziologie insbesondere in der von Werron ausgearbeiteten Form zeigt, kann das Werk Simmels auch trotz der kommunikationstheoretischen Weiterentwicklung der Analyseinstrumente als zentraler Bezugspunkt dienen. Die fehlende Präsenz Simmels in der systemtheoretischen Konfliktsoziologie ist nicht auf die kommunikationstheoretische Wende Luhmanns, sondern zu einem großen Teil auf Simmels defizitäre Bestimmung des reinen Konflikts zurückzuführen.
Diese Defizite offenbaren sich beim Vergleich mit seiner Soziologie der Konkurrenz. Simmel trifft das Wesen der Konkurrenz gerade, weil er hier aus dem Formenatomismus ausbricht, der seine empirischen Analysen typischerweise auszeichnet. Er bildet den Konkurrenzbegriff in Abgrenzung vom Konzept des Konflikts und erkennt auf diese Weise, dass Konkurrenzbeziehungen grundsätzlich indirekter Natur sind. Doch versäumt es Simmel, umgekehrt den Konfliktbegriff in Abgrenzung von der Konkurrenz zu entwickeln. Spiegelbildlich zu seinem Konkurrenzbegriff hätte er dann die Direktheit als einen Wesenszug reiner Konfliktbeziehungen festgestellt. Dann hätte Simmel weder den Konflikt schlechthin im Sachkonflikt ausgemacht, noch hätte er den Gerichtsstreit, der in hohem Maße die Vermittlungsarbeit von Anwälten, Richtern, Formeln und Ritualen voraussetzt und damit der Direktheit reiner Konfliktbeziehungen entbehrt, als empirischen Idealtypus von Konfliktbeziehungen bestimmt. Selbst wenn nur die Merkmalstypik einer Einzelform im Zentrum der Analyse steht, ist es wichtig, die Beziehung zu anderen Formen im Auge zu behalten.
Die Gründe für diese konzeptuelle Inkonsequenz wurden oben benannt. Simmel hat seine Soziologie sozialer Formen zu einem Zeitpunkt entworfen, als der disziplinäre Status des Faches noch nicht gesichert war und die Idee einer kontextorientierten Sozialformenlehre – also einer Forschung, die das Verhältnis der Sozialformen in festgelegten gesellschaftlichen Bereichen zum Thema hat – als Angriff auf die etablierten Sozialwissenschaften gewertet werden konnte. Simmels „große“ Soziologie hat daher kein ausgeprägtes Sensorium für das wechselseitige Verhältnis der Sozialformen. Diese Leerstelle verhindert erstens eine theoretische Reflexion darüber, was geleistet werden muss, um eine Sozialform in ihrer Reinform zu isolieren. Entsprechend unsystematisch geht er in seiner Streitsoziologie vor und rekurriert auf unterschiedliche Abstraktionsverfahren, um die Merkmale reiner Konkurrenz- und Konfliktbeziehungen zu bestimmen. Zweitens hat er keine Skrupel, die Formen des Konflikts und der Konkurrenz im Kapitel zum Streit zusammen zu behandeln und übersieht dadurch, dass es sich bei ihnen um strukturell unterschiedliche Formen der Auseinandersetzung handelt.
Ebenso bemerkenswert wie die konzeptuellen Versäumnisse Simmels ist allerdings das Desinteresse, mit dem Luhmann der Traditionslinie der Sozialformenlehre begegnet. Luhmann bemüht sich nicht im Geringsten, sein Konzept des Konflikts, der zusammen mit dem Widerspruch in Soziale Systeme sogar mit einem eigenen Kapitel bedacht wird, in diese Tradition einzureihen. Er sucht weder einen Anschluss im positiven Sinne, etwa in Gestalt einer Weiterentwicklung und Neugewichtung von Simmels Konflikttheorie und -empirie, noch im negativen Sinne, z. B. in Form einer kritischen Auseinandersetzung und Abgrenzung von Simmel, sondern schlägt stattdessen einen systemtheoretischen Neubeginn für die Konfliktsoziologie vor. Solch ein Neubeginn war alles andere als notwendig. Es hätte, wie gezeigt wurde, durchaus Anknüpfungspunkte gegeben. Sowohl Simmels Konfliktsoziologie als auch der grundbegriffliche Rahmen der Formensoziologie lassen sich für die von Luhmann geprägte Konfliktforschung fruchtbar machen. Es drängt sich der Verdacht auf, dass Luhmann die Systemtheorie von alternativen soziologischen Traditionen freihalten und nicht mit Simmels Sozialformen belasten wollte.
Während sich Simmel um die Institutionalisierung seines Faches und Luhmann um diejenige seiner Theorie sorgte, muss sich die heutige Soziologie keines dieser Probleme zu eigen machen. Kämpfe beider Art müssen nicht mehr geführt werden. Dies verschafft der heutigen Soziologie viel Zeit zum Aufräumen. Ganz in diesem Geiste haben Kieserling und Werron bereits vorgeführt, wie sich Erkenntnisse und Perspektiven aus Sozialformenlehre und Systemtheorie zusammenführen und kombinieren lassen. Angesichts der eigenwilligen Strategie Simmels, die Soziologie der Formen quer zur Differenzierung von Gesellschaft in Systeme bzw. Felder aufzustellen, eignet sie sich wie wenige soziologische Paradigmen dazu, verschiedene soziologische Subdisziplinen und Theorieschulen miteinander ins Gespräch zu bringen. Nicht nur die klassischen Bindestrichsoziologien, sondern auch soziologische Universaltheorien wie die Systemtheorie Luhmann’scher Prägung und Bourdieus Theorie sozialer Felder können von einer Kooperation mit der Sozialformenlehre profitieren. Das Potenzial solcher Unternehmungen ist noch lange nicht ausgeschöpft.

Danksagung

Dieser Text beruht auf dem Methodenkapitel meiner Dissertation Die Erfindung des 19. Jahrhunderts. Ein wissens- und professionssoziologischer Beitrag zur Historiographie des westlichen Rechtsdenkens (Mohr Siebeck 2024), das ich im Forschungskolloquium von Tobias Werron an der Universität Bielefeld präsentiert habe. Ich danke allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern für wertvolle Anregungen, Kommentare und Kritik. Für Hinweise und Anmerkungen zum Manuskript danke ich Tobias Werron, Kurt Rachlitz und Martin Weißmann.
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Fußnoten
1
Der Text verfolgt nicht den Anspruch, die gesamte Konfliktsoziologie abzudecken. Es geht vielmehr um zwei wichtige Traditionslinien der Konfliktsoziologie, die den Kontakt zueinander verloren haben. Heinz Messmer hat eine gute Übersicht über die verschiedenen Traditionen der gesamten Konfliktsoziologie angefertigt (2003a, S. 28 ff.).
 
2
Die folgende Rekonstruktion der Sozialformenlehre folgt im Wesentlichen den Simmellektüren André Kieserlings (2011) und Tobias Werrons (2010).
 
3
Hiermit habe ich Beispiele gewählt, die Simmel mal mehr, mal weniger präzise beschreibt (2018, S. 661 ff., 354 ff., 323) und die von auf Simmels Sozialformenlehre aufbauenden Ansätzen präzisiert worden sind. Peter M. Blau (1964) hat der Form des Tausches eine eigene Monographie gewidmet, Lewis A. Coser (1956) hat Simmels Konfliktsoziologie fortgeführt und Tobias Werron (2010, S. 305 ff.) hat Simmels Konzept der Konkurrenz verfeinert.
 
4
Mit klassischen Bindestrichsoziologien sind die Subdisziplinen der Soziologie gemeint, die an Teilbereichen der Gesellschaft wie eben dem Recht, der Familie und der Religion ansetzen. Die Konflikt- oder Konkurrenzsoziologie, bei denen es sich streng genommen natürlich auch um Bindestrichsoziologien handelt, sind mit diesem Begriff also nicht angesprochen.
 
5
So der Vorwurf bei Adorno (2003, S. 116 ff.); auch mit dieser Entgegnung auf Adorno folge ich Kieserling (2011, S. 193 ff.).
 
6
Für den Begriffsvorschlag „kontextsensible Sozialformenlehre“ danke ich Simon Hecke.
 
7
Zu dieser Identifikation siehe erneut Kieserling (2011, S. 187). Erwähnt sei, dass Simmel in seiner „kleinen“ Soziologie mehrere Problemkreise der Soziologie identifiziert; der hier erwähnte fällt unter die Rubrik der „reinen Soziologie“ (Simmel 2017 [1917], S. 81 ff.).
 
8
Werron (2019, S.27 ff.) hat gezeigt, dass Simmel in seiner Streitsoziologie hauptsächlich an triadische Konkurrenzen denkt und dyadische Konkurrenzen, bei denen das umworbene Gut nicht in der Hand eines Dritten liegt (Konkurrenzen um Territorien, Rohstoffe, etc.), weniger stark berücksichtigt. Ich lasse hier offen, ob sich dyadische Konkurrenzen nach demselben Abstraktionsverfahren bestimmen lassen. In jedem Fall gilt auch für sie, dass „der Kampfpreis sich nicht in der Hand eines der Gegner befindet.“ (Simmel 2018 [1908], S. 323).
 
9
Zu dieser Wiederbelebung, vgl. Werron 2019, S. 17 f. Weitere Beispiele für empirische Konkurrenzstudien des letzten Jahrzehnts, die ebenfalls auf Simmel aufbauen, sind Werron 2011, Eggmann 2013, Lindenhayn 2013, Tauschek 2013 und Wobbe 2010.
 
10
So attestiert Werron Simmels Konkurrenzkonzeption im Gegensatz zu anderen klassischen Entwürfen, darunter jener Max Webers, eine Sensibilität für die Bedeutung der Figur des Dritten in Konkurrenzbeziehungen (Werron 2010, S. 305).
 
11
In The Functions of Social Conflict leitet Coser (1956) jedes Kapitel mit einem Zitat aus Simmels Streitsoziologie ein.
 
12
Hiermit ist das systemtheoretische Konzept der Sinndimensionen, das Simmel selbstverständlich noch nicht zur Verfügung stand, angesprochen. Luhmann unterscheidet drei verschiedene Ebenen, auf denen Sinn prozessiert wird: die Sach‑, Sozial- und Zeitdimension (1984, S. 111 ff.).
 
13
Stephan Lessenich (2018, S. 313) hat auf den Umstand hingewiesen, dass Simmels Bestimmung des Konflikts schlechthin auch Elemente der Konkurrenz aufweist.
 
14
In einer Fußnote macht Luhmann auf die Traditionslinie von Simmel zu Coser aufmerksam, gegenüber der er seine eigene Konflikttheorie abgrenzt (Luhmann 1984, S. 532). Messmer sieht die Leistungen von Simmels Konflikttheorie etwas positiver, hierzu mehr unten.
 
15
Die Kritik richtet sich auch gegen andere Traditionslinien der Konfliktforschung.
 
Literatur
Zurück zum Zitat Adorno, T. W. (2003). Einleitung in die Soziologie. Frankfurt a. M.: Suhrkamp. Adorno, T. W. (2003). Einleitung in die Soziologie. Frankfurt a. M.: Suhrkamp.
Zurück zum Zitat Beck, T. K., & Werron, T. (2018). Violent conflictition: Armed conflicts and global competition for attention and legitimacy. International Journal of Politics, Culture and Society, 31(3), 275–296.CrossRef Beck, T. K., & Werron, T. (2018). Violent conflictition: Armed conflicts and global competition for attention and legitimacy. International Journal of Politics, Culture and Society, 31(3), 275–296.CrossRef
Zurück zum Zitat Blau, P. M. (1964). Exchange and power in social life. New York: John Wiley & Sons. Blau, P. M. (1964). Exchange and power in social life. New York: John Wiley & Sons.
Zurück zum Zitat Coser, L. A. (1956). The functions of social conflict. New York: The Free Press. Coser, L. A. (1956). The functions of social conflict. New York: The Free Press.
Zurück zum Zitat Eggmann, S. (2013). Wettbewerb diskursiviert. Konkurrenz als Produzentin und Garantin von „kulturwissenschaftlichem“ Wissen. In M. Tauschek (Hrsg.), Kulturen des Wettbewerbs. Formationen kompetitiver Logiken (S. 37–54). Münster: Waxmann. Eggmann, S. (2013). Wettbewerb diskursiviert. Konkurrenz als Produzentin und Garantin von „kulturwissenschaftlichem“ Wissen. In M. Tauschek (Hrsg.), Kulturen des Wettbewerbs. Formationen kompetitiver Logiken (S. 37–54). Münster: Waxmann.
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Metadaten
Titel
Reiner Konflikt und reine Konkurrenz. Simmels Bestimmung des Streits und die Systemtheorie
verfasst von
Karlson Preuß
Publikationsdatum
08.05.2024
Verlag
Springer Fachmedien Wiesbaden
Erschienen in
Berliner Journal für Soziologie
Print ISSN: 0863-1808
Elektronische ISSN: 1862-2593
DOI
https://doi.org/10.1007/s11609-024-00523-6

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