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02.04.2024 | Emissionen | Schwerpunkt | Online-Artikel

CO2-Bilanzen von Verbrennern und Elektroautos nicht eindeutig

verfasst von: Frank Urbansky

5 Min. Lesedauer

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Die überwiegende Mehrheit der Wissenschaftler ist sich sicher, dass Elektroautos eine bessere CO2-Bilanz haben als Verbrennungsmotoren. Doch die Interpretation der Daten ist nicht ganz so einfach, wie einige aktuelle Studien zeigen.

Die alte Streitfrage, ob ein Auto mit Verbrennungsmotor oder mit Elektromotor mehr CO2-Emissionen verursacht, ist auch in der Wissenschaft nicht entschieden. Wichtig bei der Betrachtung sind die Lebenszyklen, mögliche Wiederverwendungsszenarien zum Beispiel der Batterien und vor allem der Strommix. Denn auch wenn die EU E-Autos mit null Emissionen bewertet, so entstehen doch welche bei der Herstellung und im Betrieb, wenn sie mit dem üblichen Strommix fahren. Mehrere aktuelle Studien beschäftigen sich mit diesem Thema.

IEU: 13.750 km jährlich reicht für E-Auto aus

Das Institut für Energie- und Umweltforschung Heidelberg sieht Elektroautos in puncto CO2-Bilanz sowohl gegenüber neuen als auch gebrauchten Verbrennerfahrzeugen deutlich im Vorteil. Fahrer, die jährlich 13.750 km zurücklegen, fahren demnach nach etwa 5,2 Jahren umweltfreundlicher mit einem E-Auto.

ISI: E-Auto deutlich besser

Das Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (ISI) hat in einer Studie drei Fahrzeugklassen berücksichtigt: Elektroauto, Diesel der Oberklasse und Benziner-Kleinwagen. Zugrunde gelegt wurde der aktuelle deutsche Strommix mit 36 % erneuerbaren Energien und einer angenommenen Lebensdauer von Elektrofahrzeugen von 13 Jahren. Diese haben demnach eine CO2-Einsparung zwischen 28 % gegenüber einem Diesel der Oberklasse bis zu 42 % im Vergleich zu einem Kleinwagen mit Benzinmotor. Die Studie weist auch darauf hin, dass die Second-Life-Nutzung der Batterien, etwa als stationärer Speicher, zusätzliche Einsparungen von bis zu 10 % ermöglichen könnte. Ökostrom für die Ladung und Herstellung der E-Autos könnte die Treibhausgasemissionen zudem um 65 bis 75 % reduzieren.

VDI: Ab 90.000 km Laufleistung besser als Verbrenner

Der Verein Deutscher Ingenieure (VDI) hat die CO2-Emissionen verschiedener Autotypen über deren Lebensdauer analysiert. Elektroautos sind demnach ab einer Laufleistung von 90.000 km klimafreundlicher als Benziner, besonders wenn sie mit Ökostrom betrieben werden. Die VDI-Studie vergleicht Benziner, Diesel, Hybride und E-Autos hinsichtlich ihres CO2-Fußabdrucks, wobei E-Autos bei der Produktion am meisten CO2 emittieren. Ein Toyota Corolla Hybrid emittiert am wenigsten CO2 bei der Herstellung, während ein VW ID.3 Pro S mit 82-kWh-Batterie am meisten ausstößt.

Über den Lebenszyklus hinweg hat der Akku den größten Einfluss auf die CO2-Emissionen eines E-Autos. Trotz eines anfänglich hohen CO2-Rucksacks von E-Autos deutet die Studie darauf hin, dass E-Autos, insbesondere bei Nutzung von Ökostrom, langfristig eine günstigere CO2-Bilanz aufweisen als Verbrenner. Die Studie legte ebenfalls den deutschen Energiemix und dessen zukünftige Entwicklung hin zu mehr erneuerbaren Energien zugrunde.

Eine weitere VDI-Studie unter Mitwirkung des Karlsruhe Institute of Technology (KIT) und des Paul Scherrer Instituts (PSI) analysierte die CO2-Emissionen der Batterieproduktion an verschiedenen Standorten. Batterien können demnach in Frankreich aufgrund des hohen Anteils an Kernenergie wesentlich CO2-ärmer hergestellt werden als in China oder Polen, wo aufgrund der hohen Kohleverstromung fast identische CO2-Emissionswerte herrschen. Im Rahmen der Studie wurden diverse Fahrzeugtypen analysiert, darunter zwei VW-ID.3-Modelle mit unterschiedlichen Akkukapazitäten sowie Varianten des Ford Focus und VW Golf, einschließlich Benziner, Mild- und Vollhybride sowie Plug-in-Hybride.

Universität der Bundeswehr: E-Autos führen bei Cradle-to-Cradle

Die Universität der Bundeswehr München untersuchte 790 Fahrzeugmodelle, darunter Diesel, Benziner, Wasserstoffautos, Hybride und Elektroautos, über ihren gesamten Lebenszyklus hinweg, einschließlich Produktion, Nutzung und Entsorgung, basierend auf dem Cradle-to-Cradle-Prinzip. Dabei berücksichtigten die Forscher die durchschnittliche Nutzungsdauer der verschiedenen Autotypen. Demnach verbessern Elektroautos trotz höherer CO2-Emissionen bei der Produktion ihre Bilanz über die Lebensdauer, besonders bei Nutzung von Ökostrom. Hybridmodelle schneiden ebenfalls gut ab, mit Potenzial für weitere Verbesserungen bei Einsatz von erneuerbaren Energien. Eine Reduktion der Gesamtemissionen durch Elektro- und Plug-in-Hybridfahrzeuge könnte bei Verwendung von Ökostrom bei 73 bis 89 % liegen. Brennstoffzellenfahrzeuge mit grauem Wasserstoff könnten die Emissionen um 60 % senken.

Ifo: E-Autos so gut wie nie mit besserer CO2-Bilanz

Das Ifo-Institut hingegen fällt gegenüber diesen Ergebnissen etwas aus der Reihe. Elektrofahrzeuge könnten selbst im besten Fall (mit einer 10-%igen Verbesserung durch die Nachnutzung der Batterie) nur eine wenig bessere CO2-Bilanz als ein Dieselmotor aufweisen, und in anderen Fällen sogar 25 % mehr CO2 emittieren. Im direkten Vergleich stehen ein Mercedes C-Klasse 220d und ein Tesla Model 3, wobei für den Tesla eine Nutzungsdauer von 10 Jahren angenommen wird. Diese Studie betont zudem die Potenziale alternativer Brennstoffe wie Methan, deren CO2-Bilanz etwa ein Drittel unter der von Diesel liegt. Die Nutzung von Wasserstoff-Methan-Technologie bietet darüber hinaus den Vorteil, überschüssige Stromspitzen von Wind- und Solarenergie technisch speichern zu können.

Die Ifo-Analyse zeigt, dass moderne Elektroautos wie der Tesla Model 3 im aktuellen deutschen Strommix kaum zur CO2-Emissionsreduktion beitragen können, was teilweise den EU-Richtlinien widerspricht, die E-Autos ja mit null Emissionen bewerten. Ohne eine Verbesserung des Energiemixes, speziell bei Abschaltung der Kernkraftwerke, bleibt der Betrieb von E-Fahrzeugen problematisch. Die CO2-Emissionen, die durch die Batterieproduktion und den Betrieb von E-Autos entstehen, sind im Vergleich zu Dieselfahrzeugen nur marginal besser oder sogar höher.

Eine nachhaltige Emissionsreduktion erfordert eine verstärkte Nutzung emissionsarmer Energiequellen. Der Bericht diskutiert zudem alternative Antriebe wie Plug-in-Hybride und wasserstoff- oder methanbetriebene Fahrzeuge als mögliche Brücken- oder Zukunftstechnologien, die den Übergang zu grünerer Energie unterstützen könnten, indem sie die Speicherung überschüssiger erneuerbarer Energien ermöglichen.

Fazit

Das Votum der Wissenschaftler ist fast eindeutig: Elektroautos können mehr CO2 einsparen als Verbrenner. Das hängt aber auch vom Strommix ab. Wird dieser nicht nachhaltiger, wird auch der Antrieb der E-Autos nicht nachhaltiger, selbst wenn die EU die Emissionen für den Batterieantrieb auf null setzt. Und: Gelingt es, flüssige und gasförmige Kraftstoffe mit guter CO2-Bilanz einzusetzen, könnten diese in der bestehenden Infrastruktur genutzt werden – ein großer volkswirtschaftlicher Vorteil, der bei der reinen Betrachtung der Antriebsarten meist untergeht.

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