Erdgeschichtlich betrachtet, sind synthetische Polymere eine recht junge Werkstoffklasse. Die meisten wurden erstmalig Anfang bis Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts hergestellt. Einige Kunststoffe gab es auch schon im auslaufenden neunzehnten Jahrhundert, ohne dass ihre genaue Zusammensetzung jedoch bekannt war. Im Vergleich dazu sind metallische und keramische Werkstoffe bereits seit Jahrtausenden in Gebrauch.
Im 5. Jahrhundert v. Chr. postulierte Demokrit kleine und nicht teilbare Partikel mit verschiedener Gestalt und Größe als Urkomponenten der Welt. Sein Lehrer Leukipp hatte bereits darüber philosophiert, wie oft man beispielsweise einen Würfel in jeweils acht Würfel der halben Kantenlänge teilen könne. Ohne einen praktischen Beweis zu haben, kam Leukipp zu dem Schluss, dass man schließlich nicht weiter teilbare Partikel erhält, die er Atome (atomos [griechisch]: unteilbar) nannte. Nach Demokrit gingen aus Verbindungen einer nur begrenzten Zahl solcher Atome alle Körper hervor. Allerdings war die Auffassung des Empedokles, die Welt bestehe nur aus den vier Elementen Feuer, Wasser, Erde und Luft, wesentlich beliebter, und hielt sich fast 2.000 Jahre.
Thermoplaste sind die wichtigsten synthetischen Werkstoffe. Über 90 % der technischen Kunststoffprodukte oder Konsumgüter werden aus Thermoplasten hergestellt. Daher werden sie in diesem Buch ausführlicher als Elastomere und Duroplaste besprochen. Für weiterführende Literatur zu Elastomeren und Duroplasten wird auf das Literaturverzeichnis verwiesen (Kapitel 10).
Kunststoffe werden oft mit Additiven modifiziert, um die an sie gestellten Anforderungen zu erfüllen. Übliche Additive sind Flammschutzmittel, Farbmittel, Weichmacher (insbesondere bei Elastomeren und PVC) sowie Füllstoffe und Fasern. Je nach Art und Menge wirken sich Additive in unterschiedlicher Weise auf die mechanischen, thermischen und elektrischen Werte sowie das Brandverhalten von Kunststoffen aus.
Die weite Verbreitung der Thermoplaste ist nicht zuletzt auch auf ihre rationelle Verarbeitbarkeit zurückzuführen. Amorphe Thermoplaste beginnen oberhalb ihrer Glastemperatur, teilkristalline Thermoplaste oberhalb der Kristallit-Schmelztemperatur zu erweichen und schließlich zu schmelzen. Wird die Temperatur weit genug erhöht, lassen sich Schmelzen mit einer für die Verarbeitung günstigen Viskosität erhalten, die unter Druck in entsprechende Formen („Werkzeuge“) gefüllt werden. Nach Abkühlung besitzt der Kunststoff bereits seine endgültige Gestalt.
Die fehlerfreie Verarbeitung von Thermoplasten erfordert die Kenntnis rheologischer Werte, wie Schmelzindex und Schwindung. Zur Abschätzung der Eigenschaften von Fertigteilen dienen mechanische und thermische Kennwerte sowie Informationen zum Brandverhalten, zur elektrischen Leitfähigkeit und andere. Zur besseren Vergleichbarkeit werden diese Kennwerte an standardisierten Prüfkörpern und unter festgelegten Prüfbedingungen ermittelt. Hierzu kommen nationale und internationale Normen zur Anwendung, wobei viele internationale Normen Eingang in nationale Normen gefunden haben. Für Thermoplaste werden vorwiegend Prüfungen nach ISO (International Organization for Standardization) verwendet. Die wichtigsten Kennwerte wurden in der Norm ISO 10350 international vereinbart und sind üblicherweise in den von den jeweiligen Herstellern publizierten Produktdatenblättern enthalten. Die Datenbank CAMPUS (www.campusplastics.com) bietet Kennwerte und Diagramme für eine Reihe von Thermoplasten verschiedener Hersteller.
Die Entwicklung der Kunststoffe basierte – ebenso wie die der synthetischen Farbstoffe oder Synthesefasern – auf einem steigenden Bedarf nach Alternativen für knappe oder teure Naturstoffe (vgl. Abschnitt 1.2). Im Zuge der zunehmenden Industrialisierung und der damit verbundenen Fortschritte in Hygiene und Medizin stiegen sowohl Lebenserwartung als auch Lebensstandard. Damit einher begann ein im Vergleich zu den vorhergehenden Jahrhunderten steilerer Anstieg der Weltbevölkerung auf mittlerweile 7,8 Milliarden Menschen, mit weiter zunehmender Lebenserwartung insbesondere in den industrialisierten Ländern. Der steigende Wohlstand brachte automatisch auch einen wachsenden Bedarf an Konsum- und Industriegütern mit sich, sowie den Wunsch nach individueller Mobilität. Alle diese Bedürfnisse lassen sich heute nicht mehr ohne die Produkte der modernen Chemie, wie etwa Düngemittel und Pharmazeutika, aber auch Kunststoffe und Synthesefasern, erfüllen.
Die Kurzzeichen für Kunststoffe sind in ISO 1043 festgelegt. Teil 1 gibt die Kurzzeichen für Basis-Polymere und ihre besonderen Eigenschaften vor, Teil 2 charakterisiert Füll- und Verstärkungsstoffe, Teil 3 Weichmacher und Teil 4 Flammschutzmittel. In Tabelle 8.7 werden die wichtigsten Kurzzeichen für Basispolymere angegeben.